Die Schwerbehindertenvertretungswahlen - das Wort kommt wirklich etwas sperrig daher. Doch dahinter versteckt sich eine spannende und vielfältige Aufgabe. Denn die Schwerbehindertenvertretungen setzen sich für die Interessen behinderter und von Behinderung bedrohter Kolleginnen und Kollegen im Betrieb ein.
Alle vier Jahre finden die Wahlen zur Schwerbehindertenvertretung statt, vom 1. Oktober bis zum 30. November 2018 ist es dieses Jahr wieder soweit. Und zwar in allen Betrieben und Dienststellen, in denen mindestens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind. Hier ist eine Vertrauensperson und mindestens ein stellvertretendes Mitglied zu wählen. Wahlberechtigt sind Schwerbehinderte, also Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50, und alle ihnen gleichgestellten Beschäftigten. Für das Amt der Schwerbehindertenvertreterin bzw. des Schwerbehindertenvertreters können sich aber alle Angehörigen des Betriebs zur Wahl aufstellen lassen. Unabhängig davon, ob sie schwerbehindert sind oder nicht.
Die gewählten Schwerbehindertenvertretungen stehen den Beschäftigten dann mit Rat und Tat zur Seite und sind Ansprechpartner. In in allen Fragen rund um Prävention, Integration oder Rehabilitation. Zum Beispiel bieten sie Unterstützung, wenn es um den Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung nach langer Krankheit oder um die Einrichtung eines rollstuhlgerechten oder barrierefreien Arbeitsplatzes nach einem Unfall geht. Die Schwerbehindertenvertretungen sorgen also dafür, dass die dauerhafte Integration von Menschen mit Behinderung im Berufsalltag Einzug hält. Dabei arbeiten sie häufig eng mit dem Betriebs- oder Personalrat bzw. der Mitarbeitervertretung zusammen und machen sich für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz stark. Die Schwerbehindertenvertretungen haben auch das Recht an allen Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses (ASA) beratend teilzunehmen und dort die Belange schwerbehinderter Beschäftigter auf die Tagesordnung setzen zu lassen. Ach, und falls es in eurem Betrieb noch keine/n Sicherheitsbeauftragte/n gibt, könnt ihr hier nachlesen, wie man eine oder einen Sicherheitsbeauftragte/n aktiviert.
Aber nochmal zurück zu den Schwerbehindertenvertretungen: Sie sind wichtige Akteure der betrieblichen Mitbestimmung. Und je breiter die Interessenvertretung aufgestellt ist, desto besser können die Belange aller Kolleginnen und Kollegen vertreten werden. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten eine inklusive Arbeitswelt zur Selbstverständlichkeit zu machen! Falls ihr wahlberechtigt seid, beteiligt euch an den Wahlen. Ein starkes Mandat, stärkt auch die Arbeit eurer Schwerbehindertenvertretung.
„Für Menschen mit einer Leistungseinschränkung ist es in unserer Gesellschaft immer schwerer einen Job zu finden. Insofern trauen sich besonders schwerbehinderte Beschäftigte häufig nicht, ihre Probleme gegenüber dem Arbeitgeber anzusprechen. Oft wissen sie nicht um ihre konkreten Rechte und die entsprechenden Fördermöglichkeiten. Zum Beispiel kann man beim Integrationsamt einen Minderleistungsausgleich beantragen. Und hier kommen wir dann ins Spiel. Wir Schwerbehindertenvertreter/innen sind Fürsprecher und Vermittler. Zum einen kennen wir die Rechtsgrundlagen und zum anderen sensibilisieren wir den Arbeitgeber und die Kolleg/innen für die Belange von schwerbehinderten Beschäftigten. Eine schwerbehinderte Kollegin aus dem Bereich der Behindertenhilfe habe ich zum Beispiel bei Gesprächen mit ihrer Vorgesetzten begleitet. Sie war von den kurzen Ruhezeiten zwischen den Schichtdiensten und dem häufigen Einspringen aus dem Frei so beeinträchtig, dass ihre Krankheit sich verstärkte. Am Ende des Prozesses standen Regeln für den Dienstplan dieser Kollegin, die ihr genügend Zeit für ihre Regeneration lassen. In solchen Situationen ist es als Schwerbehindertenvertretung unsere Aufgabe, den Kolleg/innen den Rücken zu stärken und eine entsprechende Rücksicht auf die Bedarfe der schwerbehinderten Beschäftigten einzufordern. Auch gegen anfängliche Widerstände.
Neu gewählten Schwerbehindertenvertretern würde ich empfehlen, ganz schnell entsprechende Schulungen zu besuchen und sich im Betrieb bekannt zu machen. Also bei den schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen einfach mal persönlich vorbei zu schauen. Wichtig zu wissen ist auch, dass die Schwerbehindertenvertretungen laut Bundesteilhabegesetz seit Anfang 2017 bei Kündigungen von schwerbehinderten Beschäftigten beteiligt werden müssen. Kündigungen von Schwerbehinderten, die ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ausgesprochen werden, sind seitdem unwirksam. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir übernehmen also keine Pseudo-Aufgaben, sondern erfüllen vielmehr eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft!“
Karin Bartolain, ist Sozialpädagogin im ambulanten Bereich der Behindertenhilfe. Sie ist derzeit in ihrer dritten Amtszeit in der Schwerbehindertenvertretung beim Diakonie-Hilfswerk Schleswig-Holstein aktiv.
„Gerade in Krankenhäusern oder Altenheimen ist es wichtig, dass die Beschäftigten auf die Unterstützung von engagierten Vertrauenspersonen zurückgreifen können. Durch die jahrelange Arbeit im Schicht-, Wechsel- oder Bereitschaftsdienst verschleißen die KollegInnen ihre Gesundheit massiv. Mit Mitte 50 spielen Wirbelsäule und Gelenke häufig nicht mehr mit. Hinzu kommt die psychische Belastung. Hier ist es die Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung, im Gespräch mit Arbeitgeber und Betriebsrat nach Wegen zu suchen, wie der Arbeitsplatz behinderungsgerecht gestaltet wird. Dies kann zum Beispiel durch die Herausnahme aus der Grundpflege passieren oder durch Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz. Für manche Beschäftigte kommt vielleicht auch eine Teil-Erwerbsminderungsrente in Frage. Für eine Kollegin wurde mit Unterstützung des Integrationsfachdienstes über das Betriebliche Eingliederungsmanagement ein Jobcoach engagiert, mit dessen Hilfe die Integration auf einen neuen Arbeitsplatz gelungen ist. Für diese Kollegin erschien die Situation zwischenzeitlich ziemlich aussichtslos. Jetzt geht sie wieder gern zur Arbeit. Daran sehe ich, dass sich die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung lohnt.
Frisch gewählten Schwerbehindertenvertretungen würde ich gerne mit auf den Weg geben, dass es nicht unsere Aufgabe ist, den Beschäftigen zu sagen, was das Beste für sie ist. Unsere Aufgabe ist es, die Kolleginnen und Kollegen so zu unterstützen, dass sie selbst herausfinden, was für sie die beste Lösung ist.
Politisch gesehen finde ich es übrigens einen Skandal, dass Pflegekräfte praktisch kaum die Chance haben, die Auswirkungen ihres gesundheitlichen Verschleißes als Berufserkrankung anerkannt zu bekommen. Und wer 30 Jahre unter solchen Bedingungen gearbeitet hat, muss mit 60 Jahren ohne Abzüge in Rente gehen können. Das Argument, dass der sogenannte Fachkräftemangel mit vorgezogener Rente noch verschlimmert wird, lasse ich nicht gelten. Zurzeit verlassen viele Beschäftigte den Beruf, weil sich herumgesprochen hat, dass es unter den heutigen Arbeitsbedingungen in der Pflege kaum möglich ist, gesund das Rentenalter zu erreichen. Hier muss dringend etwas geschehen.“
Helmut Gröschl, ist Anästhesist und in seiner vierten Amtszeit als Vertrauensperson in der Schwerbehindertenvertretung am Helios Klinikum Duisburg aktiv, sowie dritter Stellvertreter der Helios Konzern-Vertrauensperson.
Materialien zum Download, praktische Tipps, Seminarangebote und weitere Informationen rund um die Schwerbehindertenvertretungswahlen: www.sbv-wahlen.verdi.de
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matthias.gruss@verdi.de