Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) gibt den Beschäftigten in §§ 15 bis 17 ein gutes Instrument zur Verringerung der Arbeitsbelastungen an die Hand – wenn sie den Betriebs- oder Personalrat oder die Mitarbeitervertretung einschalten.
Überlastungssituationen gehen oft über den aktuellen Dienst hinaus. Dann sind nicht nur einzelne Kol-
leg/innen betroffen, sondern viele oder alle im Team. Sie haben die Möglichkeit, Arbeitsbelastungen zusammen als Team zu dokumentieren. Damit steht nicht mehr der oder die Einzelne vor der Frage: »Bin ich so mutig oder sage ich es lieber nicht?«
Das Team schafft sich ein Stück Solidarität und Stärke. Dies ist auch eine Antwort auf die zunehmende »Vereinzelung« und »Interessengeleitete Selbstgefährdung«, die in Zusammenhang mit der »Indirekten Steuerung« von Unternehmen beschrieben wird.
Ziel dieser »anderen« Entlastungsanzeige ist die Dokumentation einer andauernden Belastungs- oder Überlastungssituation durch das Team. Ihr könnt den Betriebsrat oder die Mitarbeitervertretung auffordern, stellvertretend eure Interessen gegenüber dem Chef zu vertreten. Diese Organe können zum Beispiel Gespräche mit der Geschäftsleitung führen, über ihr Initiativrecht Maßnahmen vorschlagen oder – wenn alles nichts hilft – die Einschaltung von Berufsgenossenschaft oder Amt für Arbeitsschutz »ins Gespräch« bringen.
Christian Janßen, Vorsitzender der Gesamt-MAV der Stiftung Bethel und Mitinitiator des Bielefelder Appells. In Arbeitsrecht und Kirche 3/2017 hat er zum Thema veröffentlicht.
Die Entlastungsanzeige jammert. Die Überlastungsbeschwerde aber begehrt auf. Das mag überspitzt sein. Doch die bloße Anzeige einer Überlastung ist allenfalls zweite Wahl.
Die Entlastungsanzeige spielt dem Arbeitgeber etwas vor. Wer glaubt, der Chef kennt das Elend nicht? Wer glaubt, ihm sei an der Qualität gelegen und an unserer Gesundheit? Die meisten Kolleginnen sind über solche Illusionen längst hinaus. Die Anzeige nimmt den Blickwinkel des Arbeitgebers ein. Er soll wissen, woran es ihm fehlt. Wir zerbrechen uns seinen Kopf. Ganz anders die offene Beschwerde über die Überlastung. In dieser formulieren wir unsere eigenen Ansprüche: Der Chef soll uns nicht mit zu viel Arbeit krank machen! Die Überlastung mitteilen, das entlastet kaum. Wir bleiben trotz Stress für unsere Fehler verantwortlich. Wie oft sollen wir über die Missverhältnisse am Arbeitsplatz berichten? Täglich? Wöchentlich?
Die Anzeige knüpft an eine Pflicht zum Bericht an. Sie beschreibt Mängel in unserer Versorgung der Patient/innen und Klient/innen. Die Erfahrung lehrt: Ein erboster Chef nimmt die Selbstbezichtigung zum Anlass einer Abmahnung. Der Bote bleibt ungeschützt. Beschwerdeführer dagegen genießen für ihr Recht den Schutz aus BetrVG § 84 und aus dem Grundgesetz-Artikel 17. Die Überlastungsanzeige gibt Nachricht. Darum wird sie tags drauf gelocht und abgeheftet. Ganz anders die gemeinsame Beschwerde: Wir haben Anspruch auf Antwort und Abhilfe!
Tobias Michel, Betreiber der Website www.schichtplanfibel.de