Ausbildung ist Zukunft

In fast allen Bereichen des Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesens fehlen Beschäftigte. Eine wichtige Stellschraube, das zu ändern, ist die Ausbildung.
17.09.2024
Ausbildung braucht Anleitung

In fast allen Bereichen des Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesens fehlen Beschäftigte. Eine wichtige Stellschraube, das zu ändern, ist die Ausbildung. Doch auch hier macht sich der Mangel bemerkbar: Die Bewerberzahlen gehen zurück. Umso wichtiger sind attraktive Bedingungen, mit denen junge Menschen für die Berufe gewonnen und dauerhaft gehalten werden können. Wir haben Auszubildende und junge Beschäftigte aus verschiedenen Bereichen gefragt, was sie in der Ausbildung erleben. Das haben sie berichtet:

Hannes ist Heilerziehungspfleger und Jugend- und Auszubildendenvertreter in der Eingliederungshilfe: "Seit der Corona-Pandemie haben wir viel weniger Bewerber*innen als früher. Deshalb müssen wir um die Auszubildenden kämpfen. In der Heilerziehungspflege konkurrieren wir um Abiturient*innen, die auch viele andere Möglichkeiten haben. Wir brauchen gute Bedingungen, mit denen man in den Schulen werben kann. Als Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) verhandeln wir deshalb über eine Dienstvereinbarung zur Ausbildungsqualität. Wir wollen zum Beispiel festschreiben, dass Praxisanleiter*innen eine pädagogische Fortbildung absolviert haben. Im Moment gibt es in der Heilerziehungspflege dafür keinerlei Vorgaben. Neben einer angemessenen Vergütung – bei uns gilt zum Glück der TVöD – ist eine Übernahmegarantie wichtig, um den Leuten von Beginn an eine Perspektive aufzuzeigen. Und vor allem: ein angemessener Personalschlüssel. Denn wenn die Wohngruppen zu knapp besetzt sind, wirkt sich das sofort auf die Betreuung der Auszubildenden aus."

 

Anna hat kürzlich ihre Ausbildung zur Fachinformatikerin an einer Hochschule abgeschlossen: "Ein großes Problem ist die hohe Arbeitsbelastung derjenigen, die uns ausbilden sollen. Sie haben oft einfach keine Zeit. »Steht alles im Internet«, heißt es dann. Und wir verbringen viel Zeit damit, uns das fachliche Wissen selbst anzueignen – oder erstmal herauszufinden, was wir überhaupt können müssen. Die Ausbildungsverordnung ist da total schwammig. Ich hatte vier verschiedene Ausbilder*innen. Die letzte war gerade erst neu eingestellt worden. Aber ich hatte auch Glück: Das Team hat sehr darauf geachtet, dass ich ausgebildet werde und nicht als billige Arbeitskraft herhalten muss. Das ist nicht überall so. Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen habe ich angefangen, mich in der JAV zu engagieren. Die Arbeitgeber müssen ihre Pflicht erfüllen, nämlich die Leute richtig ausbilden und sie nicht sich selbst überlassen. Letztlich sind gute Ausbildungsbedingungen für alle wichtig – für die Auszubildenden, die anderen Kolleg*innen und für die Zukunft der Hochschule."

Daria macht eine Ausbildung zur Pflegefachfrau in einem kirchlichen Krankenhaus: "Bei mir im Krankenhaus waren die Anleitetage im Dienstplan hinterlegt, sodass ich besonders an diesen Tagen sehr viel gelernt habe. Die Praxisanleiter*innen haben sich viel Zeit genommen und ich habe sehr davon profitiert. In einigen Außeneinsätzen war es leider nicht so. Praxisanleitung stand da nur auf dem Papier. Für eine gute Pflegeausbildung müssen Theorie und Praxis eng verzahnt sein. Hochwertige Praxisanleitung ist dafür zentral."

 
Durchstarten für gute Ausbildung: Die Teilnehmenden der JAV-Konferenz im Juni in Wernigerode legten einen heldenhaften Auftritt hin.

Starker Start in die Ausbildung

Seid sichtbar und sprecht die neuen Auszubildenden an!

Heute schon mit einer Auszubildenden gesprochen? Jetzt ist die beste Zeit dafür. Denn gerade starten viele Menschen in diesen Lebensabschnitt. Der Start soll gut begleitet sein, am besten durch euch als aktive Gewerkschaftsmitglieder, Betriebsgruppen und Interessenvertretungen. Denn wenn wir ehrlich sind, hatten wir selbst damals von den drei Genannten doch auch keine Ahnung, wussten um deren Existenz vielleicht nicht einmal und hätten sie im Nachhinein doch zu gern gekannt.

Deswegen das Wichtigste zu Beginn: Seid sichtbar für die Berufsstarter*innen! Rallyes durch den Betrieb, Vorstellungen in Unterrichtseinheiten oder Kaffeetassenaktionen – vieles ist möglich. Kay vom Betriebsrat der AWO Sachsen hat zum Beispiel einen Grillnachmittag organisiert. Über 25 Auszubildende aus sieben Nationen nahmen an dem Treffen teil, das mit einem persönlichen Kennenlernen und einer Vorstellung der Arbeit des Betriebsrats und der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) startete. Ein digitales Quiz zum Thema Gewerkschaft beendete den inhaltlichen Part. Danach hieß es: Angrillen! Und: Holzwurfspiele, Fußball, miteinander reden…

An der Universität Freiburg hatten Mona, Jannik und Tobias aus der JAV noch eine andere Idee zum Ausbildungsstart: Sie planen einen aktiven Tag für die Auszubildenden und haben sich dafür Unterstützung von der Stabsstelle Sicherheit geholt – Highlight wird eine gemeinsame Feuerlöschübung. Es gibt also ganz unterschiedliche Möglichkeiten, wie der Ausbildungsstart begleitet werden kann. Welche ist deine?          

Franziska Aurich

 

JAV: Jetzt wird gewählt!

In der Privatwirtschaft stehen im Herbst die Wahlen zur Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) an, auch im öffentlichen Dienst wird mancherorts eine neue JAV gewählt. Die JAV ist die Interessenvertretung für Auszubildende und minderjährige Beschäftigte. Je höher die Wahlbeteiligung, desto stärker kann sie gegenüber dem Arbeitgeber auftreten. JAV-Arbeit ist gelebte Demokratie im Betrieb, deshalb: Wählen gehen!

jav.info

 

 
Julia H. Studierende Angestellte an der Uni Hamburg

"Mit Unterstützung des Personalrats gründen wir gerade eine neue Jugend- und Auszubildendenvertretung. Ich war früher in einem Metallbetrieb und dort schon in der JAV aktiv. Als ich gesehen habe, dass es hier an der Uni keine JAV gibt, war für mich sofort klar: Wir brauchen eine! Nur so können wir gesetzliche und tarifliche Ansprüche der Azubis durchsetzen und gute Ausbildungsbedingungen sichern."

Julia H. Studierende Angestellte an der Uni Hamburg

 

 

 

 

 
Karl L., Auszubildender zur Pflegefachkraft bei Vivantes Berlin

"Ich habe mich kurzfristig dafür entschieden, bei der JAV-Wahl zu kandidieren. Ich mache die Vertiefung in der Langzeitpflege und möchte diesem Bereich mehr Gehör verschaffen. Da läuft einiges schief, zum Beispiel bei der Praxisanleitung und der Personalausstattung. Auszubildende müssen Missstände nicht hinnehmen, dafür möchte ich Bewusstsein schaffen."

Karl L., Auszubildender zur Pflegefachkraft bei Vivantes Berlin

 

 

 

 

 
Sahra K., Operations-technische Assistentin am Uniklinikum Ulm

"Im Laufe meiner Ausbildung habe ich mitbekommen, was alles besser laufen könnte. Deshalb bin ich in der JAV aktiv geworden. Nach der Neuwahl im November wird es unter anderem darum gehen, den neuen ver.di-Tarifvertrag zur Ausbildungsqualität gut umzusetzen. Damit die Verbesserungen im Alltag auch ankommen."

Sahra K., Operations-technische Assistentin am Uniklinikum Ulm

 

 

 

 

 

Meldungen

Ausbildung zur Pflegeassistenz: mindestens zwei Jahre
ver.di begrüßt grundsätzlich den Plan, die Pflegeassistenzausbildung bundesweit einheitlich zu regeln. Die Gewerkschaft mahnt allerdings deutliche Nachbesserungen an dem Anfang September vorgelegten Gesetzentwurf an. Laut Beschluss des Bundeskabinetts soll die Assistenzausbildung 18 Monate dauern. »Das reicht nicht«, betonte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. »Wer dabei unterstützt, Menschen zu pflegen, übernimmt eine verantwortungsvolle Aufgabe.« Dafür sei eine mindestens 24-monatige Ausbildung nötig.

Zudem müsste die Weiterbildung zur Fachkraft systematisch gefördert und Durchlässigkeit geschaffen werden. Positiv sei, dass eine angemessene Ausbildungsvergütung und Schulgeldfreiheit im Gesetzentwurf vorgesehen sind. Es fehlten jedoch klare Standards zur Ausbildungsqualität, zum Beispiel bei der Praxisanleitung. Bühler forderte Bundestag und Bundesrat auf, den Entwurf entsprechend nachzubessern.

 

Pflege: gleiche Bedingungen für dual Studierende und Azubis
ver.di fordert einheitlich gute Bedingungen für Auszubildende in der Pflege – unabhängig davon, ob sie studieren oder eine betriebliche Ausbildung machen. Deshalb sollte der Tarifvertrag für Auszubildende im öffentlichen Dienst (TVAöD) für alle gelten. Die kommunalen Arbeitgeber hingegen beharren auf eigenen
Regeln für dual Studierende. In ver.di organisierte Azubis lehnen diese Spaltung ab.

 

Wissen, was geht

Bei den ver.di-Seminaren verschafft ihr euch das nötige Wissen, um es mit dem Arbeitgeber aufnehmen zu können. Alle JAV-Seminare 2025 im Überblick.

 

Infos zur Ausbildung

Die ver.di-Broschüre »Deine Ausbildung nach Pflegeberufegesetz« enthält, was du über die neue generalistische Pflegeausbildung wissen musst. Trotz vieler Gesetzeshinweise ist die Broschüre auch ohne rechtliche Vorkenntnisse gut verständlich.

Du machst eine Ausbildung als Notfallsanitäter*in und hast Fragen zu deinen Rechten in der Ausbildung? Die neue ver.di-Broschüre »Deine Ausbildung nach Notfallsanitätergesetz« hilft dir weiter.

Im Infoportal »meine ver.di« können Gewerkschaftsmitglieder eine Vielzahl von Materialien zu den Ausbildungsberufen im Gesundheits- und Sozialwesen kostenfrei herunterladen.

 

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