Karin H., 56 Jahre, ist Fachkrankenschwester für Intensivmedizin in einem Krankenhaus des privaten Klinikbetreibers Asklepios. Als Vorsitzende des dortigen Betriebsrats ist sie seit 2019 freigestellt. Die Interessenvertretung liegt Karin im Blut. Schon in ihrer Ausbildung gründete sie eine JAV (Jugend- und Auszubildendenvertretung) an ihrem Klinikum und engagiert sich seitdem kontinuierlich für ihre Kolleg*innen.
„Als Betriebsrat arbeiten wir schon seit etwa 20 Jahren mit dem Instrument der Gefährdungsanzeige. Mal mehr, mal weniger intensiv. Das hängt natürlich mit der Drucksituation von außen zusammen. Aktuell entstehen aufgrund von Personalmangel leider häufig gefährliche Situationen. Wenn Beschäftigte in einer unterbesetzten Schicht arbeiten müssen, empfehlen wir ihnen, dies gleich zu Beginn der Schicht an den oder die direkte Vorgesetze*n zu melden. Nach der Schicht sollten die Kolleg*innen dann zum Eigenschutz unbedingt noch eine Gefährdungsanzeige schreiben.
Richtig Gewicht
Eine Gefährdungsanzeige ist aber tatsächlich nicht nur zur persönlichen Absicherung der Kolleg*innen notwendig. Sie gibt uns als Betriebsrat in Gesprächen mit dem Arbeitgeber auch ein starkes Argument an die Hand. Je mehr Gefährdungsanzeigen in einem Bereich gestellt werden, desto besser können wir die Überlastung der Kolleg*innen belegen. Und mit diesem Druckmittel in der Hand haben wir als Betriebsrat eine viel bessere Verhandlungsposition, wenn wir Verbesserungen für die Kolleg*innen einfordern.
Ein Erfolgs-Beispiel aus unserer Klinik: Eine einzelne Berufsgruppe hatte bisher noch nicht viel Erfahrung mit Gefährdungsanzeigen. Dann aber stieg die Belastung in ihrem Bereitschaftsdienst enorm und die Beschäftigten schrieben verstärkt Gefährdungsanzeigen. Aufgrund der aktiven Nutzung dieses Instruments konnten wir als Betriebsrat beim Arbeitgeber durchsetzen, dass statt eines Bereitschaftsdienstes ein Regeldienst eingeführt wird.
Solche Prozesse brauchen natürlich etwas Zeit. Auch wenn der Benefit einer einzelnen Gefährdungsanzeige für die Beschäftigten vielleicht nicht unmittelbar ersichtlich ist, wird an diesem Beispiel doch deutlich, dass Gefährdungsanzeigen wirken. Auch in einigen anderen Bereichen konnten wir auf diese Weise erreichen, dass Personal aufgestockt wird.
Ein Instrument für alle
Als Betriebsrat haben wir es uns daher zur Aufgabe gemacht, die Gefährdungsanzeige bei wirklich allen Berufsgruppen im Klinikum bekannt zu machen. In der Pflege ist der Personalmangel leider so eklatant, dass viele Kolleg*innen schon einmal mit diesem Instrument in Kontakt gekommen sind. Doch auch in der Verwaltung und anderen Arbeitsbereichen der Klinik steigen die Belastungen stetig an. Uns ist es wichtig, dass alle Beschäftigten wissen, dass sie übermäßige Belastungen melden können.
Auf Betriebsversammlungen und in Mitarbeiter*innengesprächen berichten wir unseren Kolleg*innen deshalb regelmäßig über das Instrument der Gefährdungsanzeigen. Wir verteilen Info-Blätter und haben auch einen Vordruck für eine Gefährdungsanzeige entworfen, der im Intranet zur Verfügung steht. Momentan arbeiten wir daran, den Zugang zu diesem Formular noch einfacher, direkter und möglichst barrierefrei zu gestalten.
Um unser eigenes Wissen rund um die Gefährdungsanzeigen immer aktuell zu halten, haben wir als Gremium übrigens auch schon InHouse-Schulungen von ver.di gemacht. Das war eine super Unterstützung um sich mit diesem komplexen Thema auseinander zu setzen.“
Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Arbeits- und Gesundheitsschutz
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