Die Corona-Pandemie bedeutet für alle Bereiche des Gesundheits- und Sozialwesens eine besondere Herausforderung. Die Beschäftigten sind überall engagiert, um ihre Patient*innen, Bewohner*innen und Klient*innen bestmöglich zu versorgen. Zugleich vertreten sie kollektiv ihre eigenen Interessen. Seit
langem fordern sie gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft ver.di bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung. Die gegenwärtige Krise bestätigt unsere Kritik an Kürzungen und an der Ökonomisierung unserer Branche. Deshalb streiten wir weiter für ein solidarisch finanziertes und bedarfsorientiertes Gesundheits- und Sozialwesen – und für den Schutz der Gesundheit und der Arbeitsplätze aller Kolleginnen und Kollegen in dieser Krise.
Auch ambulante und stationäre Einrichtungen der Psychiatrie befinden sich in einer Ausnahmesituation. Dabei sind viele der jetzt auftretenden Probleme nicht nur der Pandemie geschuldet, sondern haben ihre Ursachen in Fehlentwicklungen unseres Gesundheitssystems. ver.di fordert Verbesserungen im Krisenmanagement und langfristige Konsequenzen.
Ob Tagesstätten, Werkstätten für behinderte Menschen oder Beratungs- und Betreuungsangebote – viele ambulante Einrichtungen können aufgrund der Pandemie nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr arbeiten. Soweit sie nicht von den jeweiligen Trägern durchgehend weiterfinanziert werden, erhalten sie mit dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) bis zu 75 Prozent der durchschnittlichen monatlichen Finanzmittel der vergangenen zwölf Monate. Doch insbesondere in der Gemeindepsychiatrie erschweren es die zersplitterten Finanzierungsmodelle, die Dienste abzusichern. ver.di fordert Bestandsgarantien für alle Einrichtungen, die durch die Pandemie bedingten Erlösausfälle und Mehrkosten müssen vollständig ausgeglichen werden. Denn es ist davon auszugehen, dass die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und auch psychischen Auswirkungen dieser Krise noch lange spürbar sein werden. Eine gute psychiatrische und psychosoziale Versorgung wird gebraucht – jetzt und in Zukunft.
Aktuell muss die Priorität darauf liegen, die Versorgung bei Einhaltung des Infektionsschutzes wo immer möglich aufrecht zu erhalten. Denn gerade jetzt brauchen die Klient*innen Kontakt und Unterstützung. Insbesondere psychisch kranke Menschen drohen in der Krise sonst unter die Räder zu geraten. Dafür sollte auch die unbürokratische Entwicklung digitaler und telefonischer Betreuung ermöglicht und unterstützt werden – ohne dabei die Schutzrechte der Beschäftigten beim Datenschutz aus den Augen zu verlieren.
»In dieser Krise wird noch deutlicher, dass der überbordende Dokumentationsaufwand durch PEPP und das ganze PEPP-System weg müssen. Wir tun alles, um trotz mangelnder Schutzausrüstung eine gute Versorgung aufrecht zu erhalten und unsere Patient*innen zu schützen. Und dann sollen wir jeden Behandlungsschritt einzeln codieren? Der Kampf gegen die Pandemie wird sicher kein Sprint, sondern ein Marathonlauf. Deshalb müssen wir darauf achten, dass unsere Kolleginnen und Kollegen nicht verheizt werden. Mit ver.di können Beschäftigte sich für ihre Belange einsetzen, um diese Krise erfolgreich und gesund zu bewältigen.«
Udo Haas ist Fachkrankenpfleger für Psychiatrie in der DRK-Tagesklinik Worms und Mitglied der ver.di-Bundesfachkommission Psychiatrie.
In stationären und teilstationären Einrichtungen erleben wir vielerorts eine erhebliche Reorganisation, insbesondere, um die Trennung von Verdachtspersonen bzw. infizierten und nichtinfizierten Patient*innen zu ermöglichen. Doch während manche Häuser die Belegung in Erwartung des Höhepunktes der Infektionswelle deutlich reduziert und Tageskliniken geschlossen haben, gilt in anderen fast schon »business as usual«. Psychiatrische Krankenhäuser und Fachabteilungen erhalten bei Erlösausfällen und Mehrkosten wegen der Pandemie auf Grundlage des Covid19-Krankenhausentlastungsgesetzes Unterstützung. Ob damit alle Erlösausfälle abdeckt werden, hängt allerdings von verschiedenen Faktoren ab und dürfte von Haus zu Haus unterschiedlich sein.
Jetzt wird offensichtlich, wie wichtig Hygiene und Reinigung sind. Es zeigt sich, dass die Aufspaltung der Betriebe durch Ausgliederungen und die Reduzierung der Reinigungskapazitäten mit dem Ziel der Kostensenkung auch in dieser Krise für zusätzliche Probleme sorgen. Gleiches gilt für die unzureichende Personalausstattung. ver.di kritisiert die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die Nachweispflicht über die Einhaltung der Personalvorgaben in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL) auszusetzen – zumal Verstöße in diesem Jahr ohnehin sanktionslos bleiben. Es wäre fatal, wenn die Pandemie als Vorwand genutzt würde, die ohnehin unzureichenden Vorgaben zu verwässern. Denn gerade in der Krise brauchen auch die Psychiatrien zur Vermeidung von Infektionsketten genügend Personal, um getrennte Teams und andere Maßnahmen zu ermöglichen. Unverständlich ist die G-BA-Entscheidung insbesondere vor dem Hintergrund, dass das pauschalierende Finanzierungssystem PEPP weiter umgesetzt werden muss. Dieses verursacht einen erheblichen Dokumentationsaufwand. Um Ressourcen zu schonen, muss das PEPP-System ausgesetzt werden – nicht die Vorgabe für das Personal.
Viele Arbeitgeber suchen gemeinsam mit dem betrieblichen Mitbestimmungsgremium nach sinnvollen Lösungen für die aktuellen Herausforderungen. Es gibt aber auch einige, die mit dem Argument der Pandemie zum Beispiel 12-Stunden-Schichten einführen wollen, obwohl sich an der Personalsituation vor Ort nichts geändert hat und eine Notsituation gar nicht vorliegt. Hier setzen die Interessenvertretungen ein klares Stoppschild!
»Psychisch kranke Menschen in dieser Krise zu unterstützen, ist eine besondere Herausforderung. Schon Menschen, deren Seele gesund ist, haben oft Schwierigkeiten, mit allen Begleiterscheinungen dieses Ausnahmezustandes umzugehen. Es braucht deshalb mehr Personal in der psychiatrischen Versorgung, nicht weniger. Und es braucht die Anstrengung aller, um diese Arbeit aufrecht zu erhalten und Patient*innen und Beschäftigte vor einer Infektion zu schützen. Dafür ist es wichtig, die Arbeit gut zu organisieren und trotz der Pandemie Ruhephasen zu ermöglichen. Das außerordentliche Engagement verdient Respekt und Wertschätzung: 500 Euro monatlicher Bonus sind dafür wirklich nicht zu viel.«
Sylvia Bühler ist im ver.di-Bundesvorstand zuständig für das Gesundheits- und Sozialwesen.
Vielerorts fehlt es an Schutzmaterial. Wenn dies der Fall ist, werden Beschäftigte mit dem Dilemma allein gelassen, entweder die Versorgung fortzuführen und dabei eine Ausbreitung der Infektionen sowie ihre eigene Gesundheit zu riskieren oder Menschen in psychischen Krisen nicht adäquat beizustehen. Der Staat steht in der Verantwortung, schleunigst Abhilfe zu schaffen und allen Beschäftigten, auch in der Psychiatrie, das nötige Schutzmaterial zur Verfügung zu stellen.
Wie in anderen versorgungsrelevanten Berufen fordert ver.di auch für die Beschäftigten psychiatrischer Einrichtungen, dass sie während der Krise eine monat-liche Zulage von 500 Euro erhalten. Damit können Arbeitgeber und politisch Verantwortliche das hohe Engagement und das Risiko honorieren, das die Beschäftigten in dieser Krise auf sich nehmen.
In beiden Fällen werden Ausgleichszahlungen mit anderen Zuschüssen wie zum Beispiel dem Kurzarbeitergeld verrechnet.
ver.di Bundesverwaltung