Corona-Prämie

Corona-Prämie spaltet

Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen geraten durch die unzureichende Krankenhausprämie in eine Zwickmühle. ver.di unterstützt sie und gibt Hinweise.
14.10.2020
Besprechung auf einer Station im Krankenhaus

Sie sollte eine Anerkennung für die besonderen Leistungen der Krankenhausbeschäftigten in der Pandemie sein. Stattdessen ist sie eine Quelle des Ärgernisses: Die vom Bundestag beschlossene Corona-Prämie wird nur einem Bruchteil der Kliniken und Beschäftigten zugutekommen. Das von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) entwickelte Konzept ist das Gegenteil von Wertschätzung. Es führt zu Missstimmung in den Belegschaften. Zu Recht haben dutzende Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) daher schriftlich mitgeteilt, dass sie an der Verteilung der Prämie nicht mitwirken wollen.

Aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds werden 100 Millionen Euro für die Prämie zur Verfügung gestellt. Die DKG selbst zeigt in einer Pressemitteilung auf, wie unzureichend das ist: »Die Berücksichtigung eines deutlich größeren Kreises oder aller Beschäftigen in den Krankenhäusern würde bis zu ca. 800 Millionen Euro ergänzender Mittel erforderlich machen.« Von den 440.000 Pflegekräften werden lediglich rund 100.000 einen Bonus erhalten. Laut Krankenhausgesellschaft sollen mehr als drei von vier Kliniken komplett leer ausgehen. Das gleiche gilt für Berufsgruppen außerhalb der Pflege. Dabei tragen Reinigungskräfte, Laborbeschäftigte und viele andere ebenfalls dazu bei, dass die Krankenhäuser bislang gut durch die Corona-Pandemie gekommen sind.

 

Wer ist nicht »besonders belastet«?

Laut DKG soll die Prämie nur an »die besonders belasteten Beschäftigten« ausgezahlt werden. Doch wer gehört nicht dazu? Für alle haben die Belastungen zugenommen. Alle mussten bei den rasanten Umstrukturierungen eine hohe Flexibilität zeigen, mit denen sich die Kliniken auf eine Welle von Covid-19-Patient*innen vorbereitet haben. Und jetzt werden in vielen Krankenhäusern elektive Behandlungen nachgearbeitet – zusätzlich dazu, dass Kapazitäten auf Infektionsstationen vorgehalten werden. Und das angesichts einer überall extrem dünnen Personaldecke und erneut wachsender Infektionszahlen. Dennoch soll nur eine kleine Minderheit die Prämie erhalten. ver.di hält diese Minimallösung für unwürdig und stellt sich hinter die Interessenvertretungen, die sich der Ungleichbehandlung verweigern.

Spahn erklärt: »Wir trauen den Arbeitnehmervertretern diese Entscheidung zu.« Doch die Interessenvertretungen selbst wollen sie sich nicht zumuten. Denn sie haben alle Beschäftigten im Blick. Sie wollen sich nicht daran beteiligen, Kolleg*innen von der Prämie auszuschließen. Richtig so!

 
Beschäftigte aus bayerischen Unikliniken fordern, dass alle Kolleginnen und Kollegen eine Prämie erhalten.

Wie sollten Interessenvertretungen vorgehen?

Laut Gesetz sollen »die Krankenhausträger im Einvernehmen mit der Arbeitnehmervertretung« festlegen, wie die Prämie konkret verteilt wird. Die Folge dieser Formulierung ist, dass die Klinik das Geld zurückzahlen muss, falls kein »Einvernehmen« zustande kommt. Damit werden die Interessenvertretungen für die Verteilung einer Prämie mit verantwortlich gemacht, die unzureichend und ungerecht ist. Zugleich wollen sie freilich nicht verhindern, dass wenigsten einige Kolleg*innen eine finanzielle Anerkennung erhalten. Sie werden in eine Zwickmühle gebracht. Wie können sie damit umgehen?

In einem Handlungsleitfaden, den ver.di den betrieblichen Interessenvertretungen zur Verfügung stellt, werden dafür zwei Optionen aufgezeigt. Erstens können Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen die Arbeitgeber auffordern, allen Beschäftigten – inklusive der Kolleg*innen ausgegliederter Gesellschaften – bis Ende des Jahres eine steuerfreie Sonderzahlung von 1.500 Euro zu zahlen. Dazu haben die Klinikbetreiber ausdrücklich die Möglichkeit. Falls sie das tun, kann die Interessenvertretung ihr volles Einvernehmen erklären und gegebenenfalls die Ausgestaltung in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung regeln.

 

Falls sich der Arbeitgeber verweigert, greift die zweite Option: Die Interessenvertretung fordert ihn auf, einen Vorschlag über die Verteilung vorzulegen, dem sie zustimmt. Sie erklärt im Übrigen ausdrücklich, dass sie keine Veränderungen zum Arbeitgebervorschlag eingebracht hat und das Einvernehmen ausschließlich erklärt wird, um eine Auszahlung nicht zu gefährden. So wird klargestellt, dass der Klinikbetreiber die alleinige Verantwortung für die Verteilung trägt.

Auch in den vielen Krankenhäusern, die überhaupt kein Geld für Prämienzahlungen erhalten, sollten die Interessenvertretungen die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen. Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen können sie auffordern, allen Beschäftigten entweder selbst eine finanzielle Anerkennung zu zahlen und/oder bei der Landesregierung eine entsprechende Finanzierung einzufordern.

 

Bundesregierung, DKG und GKV-SV tragen die Verantwortung

Klar ist: Die Bundesregierung, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der Krankenkassen haben das Chaos angerichtet – sie tragen die Verantwortung. Neben den Arbeitgebern haben nun die Bundesländer die Möglichkeit, ihre Anerkennung für die vielfältigen Leistungen der Krankenhausbeschäftigten während der Pandemie zu zeigen. Hier gibt es positive Beispiele, wie das unbürokratische Vorgehen der bayerischen Landesregierung sehr früh in der Pandemie (trotz Kritik am Auszahlungsmodus der Prämie dort) und die schnelle Reaktion der Landesregierung in Rheinland-Pfalz, wo die bundesgesetzlich geregelte Prämie aufgestockt wird. In Schleswig-Holstein hat die Landesregierung beschlossen, den Bonus allen Pflegekräften und auch den nicht-ärztlichen Berufsgruppen zukommen zu lassen. Die Prämie von bis zu 1.500 Euro ist wie in der Altenpflege gestaffelt und umfasst auch Leih- und Werkvertragsbeschäftigte sowie Auszubildende und FSJler*innen.

Eine dauerhafte finanzielle Aufwertung und bessere Arbeitsbedingungen ersetzt all das allerdings nicht. Und: Auch andere Bereiche außerhalb von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen haben eine besondere finanzielle Anerkennung verdient – zum Beispiel die Beschäftigten im Rettungsdienst, in der Behindertenhilfe, in den Laboren und anderswo im Gesundheits- und Sozialwesen. Auch dafür wird ver.di weiter streiten.

 

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