COVID-19

Schutzrechte wiederherstellen

06.05.2020

Die Corona-Pandemie bedeutet für alle Bereiche des Gesundheits- und Sozialwesens eine besondere Herausforderung. Die Beschäftigten sind überall engagiert, um ihre Patient*innen, Bewohner*innen und Klient*innen bestmöglich zu versorgen. Zugleich vertreten sie kollektiv ihre eigenen Interessen. Seit langem fordern sie gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft ver.di bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung. Die gegenwärtige Krise bestätigt unsere Kritik an Kürzungen und an der Ökonomisierung unserer Branche. Deshalb streiten wir weiter für ein solidarisch finanziertes und bedarfsorientiertes Gesundheits- und Sozialwesen – und für den Schutz der Gesundheit und der Arbeitsplätze aller Kolleginnen und Kollegen in dieser Krise.

 
Schutzrechte im Krankenhaus wiederherstellen

 

Die Beschäftigten der Krankenhäuser und ihre Gewerkschaft ver.di haben bereits vor der Corona-Pandemie immer wieder auf den Personalmangel und die Überlastung hingewiesen. Die Zahl der Patient*innen und die Schwere der Fälle hat sich Jahr für Jahr gesteigert. Zugleich haben die Kliniken den permanenten Spardruck des Finanzierungssystems über Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) an die Belegschaften weitergegeben – durch Arbeitsverdichtung, Personalabbau und Outsourcing. Das rächt sich jetzt. Die Personaldecke ist so auf Kante genäht, dass sich die politisch Verantwortlichen nur mit der Aussetzung von Schutzrechten zu helfen wissen. Beschäftigte sollen bis zu zwölf Stunden arbeiten können, bei verkürzter Ruhezeit. Die ohnehin unzureichenden und auf wenige Bereiche beschränkten Pflegepersonaluntergrenzen wurden generell ausgesetzt. Das sind die falschen Signale. Denn gerade jetzt braucht es mehr Personal – nicht weniger.

Die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern geben alles, um ihre Patient*innen zu schützen. Doch sie fordern auch für sich Schutz vor Ansteckung und Überlastung. Sie wollen, dass ihre Leistungen in dieser Pandemie honoriert werden – auch finanziell. Und vor allem: Es müssen grundlegende Konsequenzen aus den aktuellen Erfahrungen gezogen werden.

Schutz vor dem Coronavirus

Im Gesundheitswesen haben Methoden Einzug gehalten, die man sonst aus der industriellen Produktion kennt. Dazu gehören auch der Abbau von Lagerkapazitäten und Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer, die zum aktuell dramatischen Mangel an Schutzausrüstung beigetragen haben. Dieser bedeutet für die Beschäftigten eine zusätzliche Belastung und Gesundheitsgefährdung. Oft muss der Mundschutz den ganzen Tag getragen werden, manchmal über mehrere Schichten hinweg. Auf Intensivstationen mit Covid-19-Patient*innen müssen Pflegekräfte oft stundenlang im Behandlungszimmer ausharren, um Schutzmaterial zu sparen. Arbeitgeber und Staat tragen die Verantwortung, solche Zustände zu beenden und für genug qualitativ hochwertiges Schutzmaterial in den Einrichtungen zu sorgen.

Zudem müssen Beschäftigte in Krankenhäusern regelmäßig auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet werden. Dafür müssen die Testkapazitäten massiv ausgeweitet werden und die Testung des Gesundheitspersonals Priorität haben. Die Quarantänezeit sollte wann immer möglich die vollen 14 Tage andauern. Beschäftigte, die zu Risikogruppen gehören, dürfen nicht in der direkten Versorgung von Covid-19-Patient*innen eingesetzt werden.

 

 

»Wichtigstes Bollwerk gegen die Pandemie«

»Die Krankenhäuser und ihre Beschäftigten sind unser wichtigstes Bollwerk gegen die Pandemie. Sie sorgen mit Professionalität und hohem Einsatz für die bestmögliche Versorgung. Doch die Bedingungen machen es ihnen schwer. Sie brauchen genug Zeit und mehr Kolleg*innen. Sie fordern Schutzausrüstung und finanzielle Anerkennung. Und sie wollen, dass alle wieder dazugehören – von der Reinigungskraft bis zum IT-Spezialisten. Dafür streiten sie selbstbewusst mit ihrer Gewerkschaft ver.di. Für ein Gesundheitswesen, das nicht dem Markt und kommerziellen Interessen überlassen wird. Für ein Gesundheitswesen, in dem der Mensch im Zentrum steht.«

Sylvia Bühler ist im ver.di-Bundesvorstand zuständig für das Gesundheits- und Sozialwesen.

 

 

Schutz vor Überlastung

Es ist richtig, wenn Krankenhäuser einen Teil der zurückgestellten Operationen nun wieder durchführen, um eine medizinische Unterversorgung und unnötiges Leid zu vermeiden. Zugleich müssen die Kliniken jedoch auf Situationen vorbereitet sein, in denen sie infolge der Pandemie an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit kommen könnten. Diese sind auch jetzt nicht ausgeschlossen. Deshalb müssen weiterhin Kapazitäten freigehalten und zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten geschaffen würden. Und: Eine Überlastung der Beschäftigten muss vermieden werden. Wenn Kliniken einerseits elektive Operationen wieder hochfahren, andererseits aber die Ausnahmen beim Arbeitszeitgesetz bis Ende Juni und die Aussetzung der Personaluntergrenzen bis zum Jahresende in Kraft bleiben, passt das nicht zusammen. Diese Einschränkung der Schutzrechte von Beschäftigten muss ein Ende haben.

Die Krise ist ein weiterer Beleg dafür, wie dringend verbindliche, am Bedarf orientierte Personalvorgaben in den Krankenhäusern sind. Gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert ver.di deshalb, die PPR 2.0, das gemeinsam von DKG, Deutschem Pflegerat und ver.di entwickelte Personalbemessungsinstrument, zum 1. Januar 2021 einzuführen.

 

 

»Fallpauschalen gehören abgeschafft«

»Bislang hat die Corona-Pandemie hierzulande glücklicherweise nicht zur Überlastung der Krankenhäuser geführt. Das ist den zügig beschlossenen Kontaktbeschränkungen zu verdanken, aber auch dem hohen Engagement der Klinikbeschäftigten. Es hat auch damit zu tun, dass sich viele Menschen gegen Kürzungen im Gesundheitswesen zur Wehr gesetzt haben. Sie haben verhindert, dass massenhaft Krankenhäuser geschlossen wurden, wie es nicht nur die Bertelsmann-Stiftung wollte. Doch der Personalabbau und die Ökonomisierung haben den Kampf gegen die Pandemie erschwert. Daraus müssen wir Konsequenzen ziehen: Das Finanzierungssystem der Fallpauschalen gehört abgeschafft.«

Dana Lützkendorf ist Intensivpflegerin an der Berliner Charité und Vorsitzende des ver.di-Bundesfachbereichsvorstands Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen.

 

 

Gute Hygienestandards sind entscheidend, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Dafür braucht es genug Zeit und Personal. Ganz besonders gilt das für die Reinigung, aber auch für den Krankentransport, die Hauswirtschaft und viele andere Tätigkeiten. Die Reinigungsflächen pro Reinigungskraft müssen verkleinert und den Beschäftigten Stationen fest zugeordnet werden. Das ist in der Regel über Tochter- oder gar Fremdfirmen nicht zu gewährleisten. Die Schlussfolgerung muss sein, alle Beschäftigten, die in einem Krankenhaus arbeiten, wieder direkt dort anzustellen – zu den gleichen Konditionen wie die jetzigen Stammkräfte. In der Krise gilt es, das Engagement aller zu würdigen – mit einer monatlichen Prämie von 500 Euro.

Schlussfolgerungen ziehen

Die Corona-Pandemie macht deutlich, dass wir ein bedarfsgerechtes Gesundheitssystem brauchen, das Reserven für besondere Situationen vorhält. Das Finanzierungssystem über Fallpauschalen steht dem entgegen. Nicht Gewinnstreben darf darüber entscheiden, wo welche Klinikleistungen angeboten werden, sondern der Versorgungsbedarf.

Jetzt gilt es, alle Ressourcen zur Bewältigung der Pandemie zu mobilisieren und zugleich die Rechte der Beschäftigten zu sichern. Die Krise zeigt, wie wichtig unser vehementer Einsatz für bessere Bedingungen, für mehr Personal, Aufwertung und Entlastung im Gesundheits- und Sozialwesen ist. Dafür steht ver.di. Mach mit!

 

 

  • Gesetzliche Grundlagen

    Krankenhausentlastungsgesetz

    • Krankenhäuser erhalten 560 Euro für jedes Bett, das sie durch die Verschiebung elektiver Leistungen nicht belegen, um damit Kapazitäten für Covid-19-Patient*innen freizuhalten. Für jedes zusätzlich zur Verfügung gestellte Intensivbett mit Beatmungskapazitäten gibt es 50.000 Euro.
    • Um höhere Aufwendungen für Material auszugleichen, erhalten Kliniken pro Patient*in einen Zuschlag von 50 Euro. Zudem wird der Pflegeentgeltwert, den die Krankenhäuser pauschal pro Patient*in und Tag bekommen, ab dem 1. April um 38 auf 185 Euro erhöht.
    • Die Pflegepersonaluntergrenzen werden bis zum Jahresende ausgesetzt. Die Dokumentationspflichten der Krankenhäuser werden verringert, doch der hohe Dokumentationsaufwand des DRG-Systems bleibt bestehen.

     

     

 

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