Der Bundestag hat am Freitag (18. September 2020) das sogenannte Krankenhauszukunftsgesetz beschlossen. Neben einer Förderung von Investitionen und der Kompensation von Erlösausfällen – die ver.di grundsätzlich begrüßt und im Detail kritisiert – schafft es auch die gesetzliche Grundlage für eine Corona-Prämie in Krankenhäusern. Doch bei den Betroffenen löst der Beschluss keine Freude aus, sondern Empörung. Zeitgleich mit der Verabschiedung des Gesetzes veröffentlichten die betrieblichen Interessenvertretungen hunderttausender Klinikbeschäftigter einen offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), in dem sie ankündigen: »Wir werden bei der Verteilung dieser unzureichenden Prämie nicht mitwirken.«
Die Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertretungen großer Kliniken und Krankenhauskonzerne kritisieren in dem Schreiben, dass lediglich bis zu 100.000 der insgesamt 440.000 Pflegekräften einen Bonus erhalten und alle anderen Beschäftigtengruppen komplett leer ausgehen sollen. »Alle Beschäftigten sind für die Krankenversorgung wichtig. Alle haben besondere Leistungen erbracht, sich vorbereitet und qualifiziert. Alle waren bereit, Verantwortung zu übernehmen, überall war die Anspannung zu spüren«, betonen die Interessenvertretungen. Dennoch nur einem kleinen Teil von ihnen finanzielle Anerkennung zu zollen, werde der Situation nicht gerecht und schaffe Unfrieden in den Belegschaften. »Dafür übernehmen wir keine Verantwortung.«
Laut Konzept der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) sollen die Klinikträger »in Abstimmung mit der Mitarbeitendenvertretung« entscheiden, welche Beschäftigte wie viel Geld bekommen. In den meisten Häusern wird die Verteilung nun ohne die Interessenvertretung laufen müssen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Pläne Anfang September hatte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler den Vorschlag von DKG und GKV-SV als »Minimallösung« kritisiert und Spahn aufgefordert, für »eine klare und bundesweit einheitliche Regelung« zu sorgen, die »nicht nur der Einsatz aller Pflegekräfte, sondern auch anderer Beschäftigter in den Krankenhäusern honoriert«. Der Minister ist darauf nicht eingegangen und muss sich nun, wie auch Kliniken und Krankenkassen, Kritik anhören.
»Das ist für viele Beschäftigte eine herbe Enttäuschung, die in den vergangenen Wochen viel geleistet haben«, sagt die Konzernbetriebsratsvorsitzende der SRH-Kliniken, Marion Eßer, die den offenen Brief ebenfalls unterzeichnet hat. »So viele haben sich freiwillig versetzen lassen, 12-Stunden-Schichten gearbeitet, beim Umbau der Häuser zur Ausweitung der Intensivkapazitäten mitgeholfen, sich der Gefahr einer Infektion ausgesetzt – doch von dem Bonus sollen nur wenige Pflegekräfte in direktem Kontakt zu Covid-19-Patient*innen profitieren. Das ist extrem ungerecht.« Die Interessenvertretungen seien nicht bereit, dabei mitzumachen.
Die Betriebsrätin verweist auf die vielen Enttäuschungen, die Klinikbeschäftigte bereits in den vergangenen Monaten erleben mussten. So hatte der Bundestag im Mai zunächst nur eine Prämie für die Altenpflege beschlossen. »Das ist den Kolleginnen und Kollegen in der stationären und ambulanten Pflege absolut zu gönnen«, stellt Eßer klar. »Aber niemand hat verstanden, warum die Klinikbeschäftigten davon ausgeschlossen sein sollten. Das setzt sich jetzt mit der völlig unzureichenden und ungerechten Krankenhausprämie fort. Dank und Wertschätzung gehen anders.«
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