Mit vielen anderen #Gemeinsame Sache machen, um die Situation in der Altenpflege zu verbessern. Das sind Motto und Ziel eines Projekts, das ver.di am Mittwoch (17. Juni 2020) mit einem bundesweiten Aktionstag startete. Vor dutzenden Pflegeeinrichtungen kamen Beschäftigte zusammen, um für bessere Arbeitsbedingungen, gute Bezahlung und eine solidarische Finanzierung zu demonstrieren – vielfach unterstützt von anderen Gewerkschafter*innen, Bewohner*innen, Angehörigen und Politiker*innen.
So auch an der Darmstädter Senioren-Residenz Kranichstein, deren Betreiber wie so viele in der Branche alles daran setzt, Tarifverträge zu verhindern. Ein im vergangenen Jahr bereits mit ver.di ausgehandeltes Eckpunktepapier wischte das Unternehmen plötzlich wieder vom Tisch. Die Folge ist, dass sich die Arbeitsbedingungen immer weiter verschlechtern, weil unter diesen Bedingungen kaum qualifiziertes Personal zu finden ist. Was das für die pflegebedürftigen Menschen bedeutet, machte Käthe Peschel deutlich, die seit fünf Jahren auf einer Pflegestation im Heim lebt. »Die Mitarbeiterinnen sind sehr gefordert, das war auch schon vor Corona so«, berichtete sie in einer emotionalen Rede. »Sie opfern sich auf und versuchen alles, um das Beste für uns zu machen.« Sie habe die Heimleitung erfolglos auf die Überlastung hingewiesen, unter der auch die Bewohner*innen zu leiden hätten. »Wir sind doch auf ihre Hilfe angewiesen«, sagte sie unter Tränen.
Unterstützung für ihre Kolleg*innen aus der Altenpflege bekundete Anna-Lisa Reinhard von der Jugend- und Auszubildendenvertretung des Klinikums Darmstadt. »Wir haben im Gesundheitswesen überall dieselben Probleme: zu wenig Personal, schlechte Arbeitsbedingungen, unzureichende Bezahlung. Aber in der Altenpflege ist es am schlimmsten«, ist die Gesundheits- und Krankenpflegerin überzeugt. »Die Patientinnen und Patienten, die aus Pflegeheimen zu uns ins Klinikum kommen, sind zum Teil schlecht versorgt. Und das liegt sicher nicht an den Kolleg*innen, sondern dass es ihnen an Personal und Zeit fehlt.« Die Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege müssten zusammenhalten, um die Bedingungen für alle zu verbessern, betonte Reinhard.
Auch Parteivertreter*innen bekundeten ihre Solidarität. In Darmstadt kritisierte die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im hessischen Landtag, Christiane Böhm, dass es im Gesundheitswesen zunehmend um Profite gehe statt um eine gute Versorgung: »Es darf nicht sein, dass Sozialversicherungsbeiträge in den Kassen von Aktionären landen.«
Bei einer Aktion im nordrhein-westfälischen Recklinghausen betonte der Landrat Cay Süberkrüb: »Applaus reicht nicht.« Er unterstütze die Aktionen nicht nur politisch, sondern auch aufgrund persönlicher Betroffenheit, erläuterte der SPD-Politiker. Denn er habe selbst pflegebedürftige Angehörige, die er gut versorgt wissen wolle. Eine gute Personalausstattung sei dafür die Voraussetzung.
Herbert Hunkel, parteiloser Bürgermeister des südlich von Frankfurt am Main gelegenen Städtchens Neu-Isenburg, erklärte, die Beschäftigten in der Altenpflege machten einen »hervorragenden und sehr verantwortungsvollen Job« – das habe sich nicht zuletzt in der Corona-Krise gezeigt. Ihre Arbeit brauche mehr Anerkennung, auch finanziell. »Ich hoffe, dass die Pandemie bei den Kostenträgern und Arbeitgebern zu einem Umdenken führt und diese Berufe nun besser bezahlt werden.«
Im AWO-Seniorenzentrum Recklinghausen forderte die stellvertretende Heimbeiratsvorsitzende Ursula Siroky für alle Bereiche mehr Personal. »Die rennen und rennen und haben keine Zeit. Alle geben ihr Bestes und bekommen zu wenig dafür. Am Ende werden sie krank, das ist unmenschlich«, sagte die 74-Jährige, die gemeinsam mit der Pflegeassistentin Petra Marschall ein Solidaritätsfoto machte.
Ebenfalls für mehr Personal setzt sich der 70-Jährige Karl-Heinz Both ein, »damit sich die Kolleg*innen nicht die Hacken abrennen müssen und doch keine Zeit für uns haben«. Für die Betreuungsassistentin Heike Höppner-Sandmann ist es belastend, den pflegebedürftigen Menschen wegen des Zeitmangels nicht richtig gerecht werden zu können. »Wir brauchen Vollzeitstellen, mehr Geld, damit wir davon leben können und nicht zum Amt aufstocken oder uns weitere Minijobs suchen müssen.«
»Durch die Corona-Pandemie wurde allen noch einmal klar, wie wichtig eine gute Versorgung pflegebedürftiger Menschen ist«, stellte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler fest, die in Berlin mit dem Gesamtbetriebsrat von Kursana Social Care zu einem Gespräch und einer öffentlichen Aktion zusammenkam. »Jetzt gilt es, aus der Krise zu lernen und den Notstand zu beenden.« Die stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ute Jaensch benannte den Personalmangel als gravierendstes Problem. »Die Altenpflege muss aufgewertet werden und die Arbeitsbedingungen müssen sich verbessern, damit sich in Zukunft noch genug Menschen für diese wichtige Arbeit finden.« Hierfür wird ver.di auch in den kommenden Wochen #GemeinsameSache mit allen machen, die an einer guten Versorgung pflegebedürftiger Menschen interessiert sind.
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