Was tun gegen rechte Tendenzen im Betrieb? Lukas Hezel vom DGB-Bildungswerk Baden-Württemberg erklärt, dass es vor allem auf die Haltung ankommt – und warum Gewerkschafter*innen eine zentrale Rolle spielen.
mittendrin: Die AfD ist auf dem Vormarsch. Wie wirkt sich das in den Betrieben aus?
Lukas Hezel: Der Höhenflug der AfD ist auch in den Betrieben stark zu spüren. Ich bin sicher, dass in so gut wie jeder größeren Einrichtung rechte Einstellungen zu finden sind. Die Betriebe sind ja ein Spiegel der Gesellschaft. Hinzu kommt, dass der Anteil der AfD-Wählerschaft unter Gewerkschaftsmitgliedern und Arbeiter*innen im Schnitt generell etwas höher ist. Die Rechte bietet für gesellschaftliche Probleme einfache Pseudo-Lösungen an und hetzt gegen Sündenböcke.
Wie ist dieser Trend im Arbeitsalltag spürbar?
Man merkt, dass Leute mit einem gefestigten rechten Weltbild viel stärker aus der Deckung kommen. Sie spüren, dass in der Gesellschaft ein anderer Wind weht. Zudem lässt sich feststellen, dass Leute, die sich früher vielleicht selbst in der Mitte der Gesellschaft oder sogar im links-alternativen Milieu verortet hätten, über die Coronaleugner-Bewegung ihre Berührungsangst nach rechts abgelegt haben. Viele haben mittlerweile soziale Kontakte in die rechte Szene. Auch in den Betrieben ist deutlich zu spüren, dass Rassismus und Ausgrenzung zunehmen.
Was tun, wenn in der Teeküche ein rassistischer Spruch fällt?
Wichtig ist, klar Position zu beziehen. Dabei stellt sich die Frage: Handelt es sich um ein Gespräch unter vier Augen oder hören andere mit? Die Gruppendynamik sieht leider häufig so aus, dass Leute ganz unverblümt rechte Parolen raushauen – und der Rest still bleibt. Dann ist unklar, wie sie dazu stehen. Sind Menschen dabei, die selbst von Rassismus betroffen sind, gilt es unbedingt, sich an ihre Seite zu stellen und klar zu machen: Ihr seid nicht alleine! Aber so ein Zeichen ist auch wichtig für diejenigen, die potenziell mit rechten Einstellungen sympathisieren. Sie sollen mitbekommen, dass solche Äußerungen nicht unkommentiert stehen gelassen werden.
Viele schrecken davor zurück. Sie fühlen sich nicht dafür gerüstet, sich inhaltlich in eine Debatte zu verstricken und fürchten, dass ihnen die Argumente fehlen. Gibt es da einen Tipp?
Ja, das geht uns fast allen so. Häufig fühlt man sich in so einem Moment erst einmal gelähmt und ist sprachlos. Niemand ist in der Lage, auf jede rechte Parole sofort eine schlagfertige Antwort zu liefern. Das ist auch gar nicht nötig. Wir müssen nur konsequent unsere Werte vertreten: Wir halten als Klasse zusammen! Rassismus fördert Spaltung – und schadet letztlich uns allen. Auf diese Haltung kommt es an. Wichtig ist, im Gespräch etwas Fingerspitzengefühl zu zeigen. Oft stecken berechtigte Sorgen und Ängste dahinter. Zum Beispiel, später nicht von der Rente leben zu können. Bis zu diesem Punkt gilt es mitzugehen. Aber bei rassistischen Erklärungen muss man klare Kante zeigen.
Warum spielen gerade Gewerkschafter*innen so eine wichtige Rolle?
Nur moralisch gegen Rassismus zu argumentieren, greift zu kurz. Ganz wichtig ist die gewerkschaftliche Perspektive, der Interessengegensetz zwischen Kapital und Arbeit. Damit positionieren wir uns grundsätzlich anders als Rechte. Für die AfD spielt oben und unten keine Rolle, sondern ihr geht es vor allem darum, einen Widerspruch zwischen »innen« und »außen« zu konstruieren: Wer darf zum »deutschen Volk« dazu gehören? Wer darf Sozialleistungen beziehen? Wir müssen klar machen, dass wir uns als Lohnabhängige mit so einer Spaltung ins eigene Fleisch schneiden. Meine Botschaft lautet: Genau hinhören, für Solidarität einstehen und Courage zeigen. Da haben wir als Gewerkschafter*innen eine historische Verantwortung.
Wie lassen sich rechte Einstellungen am besten bekämpfen?
Oft haben wir das Gefühl, von einer rechten Welle überrollt zu werden, dass einem angst und bange wird. Aber wir müssen uns bewusst machen, dass wir viel bewirken können. Wir können als Gewerkschaften noch Menschen erreichen, die mit politischen Parteien längst abgeschlossen haben. Sie sind in gewerkschaftliche Auseinandersetzungen eingebunden und zum Beispiel bei Tarifrunden dabei. In den Betrieben für konkrete Verbesserungen zu kämpfen, ist unser täglich Brot. Wer Solidarität, Anerkennung und Selbstwirksamkeit erlebt, ist erwiesenermaßen weniger anfällig für rechte Ideologien. In den nächsten Tarifrunden müssen wir dafür sorgen, dass möglichst viele Kolleg*innen in den Betrieben solche Erfahrungen machen. Das heißt, sie aktiv in Prozesse einzubinden und Solidarität erleben lassen. Beim Warnstreik ist völlig egal, ob meine Kollegin ein Kopftuch trägt oder mein Kollege schwul ist. Hauptsache, man geht gemeinsam raus und hält zusammen. Und diese konkrete Erfahrung kann in den Köpfen viel bewegen.
Und was tue ich, wenn ich auf der Arbeit extrem rechte Parolen höre?
Wichtig ist die Frage: Mit wem haben wir es zu tun? Handelt es sich um jemand mit Einfluss im Betrieb? Ist es zum Beispiel eine Praxisanleiterin mit Kontakt zu vielen Auszubildenden, die rechte Parolen verbreitet? Zudem gilt es abzuschätzen, ob die Person nur etwas nachplappert oder über ein festes rechtes Weltbild verfügt, auf Demos geht und Kontakte in die rechte Szene pflegt. Dafür ist es wichtig, erst einmal mit den Leuten zu reden. Sinnvoll ist auch, sich mit Kolleg*innen auszutauschen und gemeinsam die Situation einzuschätzen. Stellt sich heraus, dass es sich um ein festes Weltbild handelt, sollte man unbedingt aktiv werden – und externe Unterstützung holen.
Wo findet man professionelle Unterstützung?
Am besten an ver.di vor Ort wenden, so kann bei Bedarf zum Beispiel schnell der Kontakt zu mir und meinen Kolleg*innen hergestellt werden. Sehr brisant wird es, wenn organisierte Rechtsextreme im Betrieb auf Machtressourcen zugreifen. Zum Beispiel, weil sie für den Personalrat kandidieren oder eine wichtige Position einnehmen. Die neue Rechte hat die Betriebe für sich explizit als Kampffeld entdeckt, will sie systematisch erobern und Einfluss gewinnen. Ihre Strategie ist es häufig, als U-Boot im Betrieb unterwegs zu sein. Das heißt, sie treten nicht offen als Mitglieder der AfD oder anderer rechtsextremer Organisationen auf, sondern stellen sich auf »offenen Listen« zur Wahl. Wer sich in der rechten Szene nicht gut auskennt, kann solche Personen kaum einordnen. Hinzu kommt, dass normale Beschäftigte nicht die Zeit haben, nebenbei aufwendige Recherchen zu betreiben.
Interview: Kathrin Hedtke
Das vom Bundesarbeitsministerium geförderte Programm »Unsere Arbeit: Unsere Vielfalt. Initiative für betriebliche Demokratiekompetenz« bietet bundesweit Schulungen, Trainings, Seminare, Aktionen und die Begleitung von Initiativen vor Ort an. Auf einer interaktiven Landkarte können passende Projekte vor Ort gesucht werden: betriebliche-demokratiekompetenz.de
ver.di Bundesverwaltung