Internationaler Tag der Sozialen Arbeit
Infoveranstaltung „Soziale Arbeit an der Belastungsgrenze – Kollaps verhindern“
Beschäftigte der Sozialen Arbeit sind vielfach überlastet. 60 Prozent haben bei einer aktuellen Befragung angegeben, „(sehr) häufig an die Grenzen der Belastbarkeit zu kommen“. Und sie wissen auch, woran das liegt: Es fehlen Kolleg*innen. Das haben mehr als zwei Drittel als Grund genannt. Zudem ist das Risiko eines Burnouts, also einer psychischen Erkrankung, laut der Befragung in dieser Berufsgruppe hoch. Stellt sich die Frage, was Beschäftigte bei einer hohen Belastung tun können? Genau darum ging es bei einer Informationsveranstaltung am Internationalen Tag der Sozialen Arbeit am 21. März 2023 – bei der neben der Vorstellung dieser Forschungsergebnisse es auch viele Tipps von Beschäftigten zum Umgang mit der hohen Belastung gab. Wer nicht live dabei sein konnte, kann jetzt hier online die Veranstaltung angucken: https://www.youtube.com/watch?v=1FNDnK-j_xU
Ein wichtiges Instrument sind Gefährdungsanzeigen, so Anne Lembcke von den Kita-Eigenbetrieben. Damit machen Beschäftigte ihren Arbeitgeber darauf aufmerksam, wenn sie aufgrund von Überlastung eine Gefahr für die Menschen, für die sie zuständig sind, oder sich selbst sehen. Sie schützt auch vor möglichen Haftungsansprüchen, sollten Fehler passieren. Zudem kann das von ver.di bereitgestellte Personalbarometer genutzt werden, um sichtbar zu machen, was aufgrund von Fachkräftemangel in den Einrichtungen nicht mehr funktioniert. Das ist auch ein Appell an die Politik, denn Kitas sind Bildungseinrichtungen, wie die Kollegin betont.
Christine Rapp arbeitet bei Leben mit Behinderung Hamburg, ein freier Träger der seit 2021 tarifgebunden ist. Sie berichtet wie sie 2016 als Betriebsrat einen Strategieprozess mit externer Beratung gestartet haben. Zunächst haben sie auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes die Arbeitsbedingungen beurteilt. Dabei kam z.B. raus, dass Lärm ein massives Problem darstellt. Heute haben sie überall Schallschutzdämmungen. Zudem haben sie vom Arbeitgeber Transparenz über die Personalplanung eingefordert und dies auch auf Betriebsversammlung öffentlich gemacht.
Aber auch ver.di-Betriebsgruppen können mit Aktionen auf die Situationen in ihrer Einrichtung aufmerksam machen, betont Runa Pal, die im Jugendamt in Offenbach arbeitet. Ulrike Eichinger von der Alice-Salomon Hochschule berichtet hingegen von einem Offenen Brief an die Berliner Senatsverwaltung, mit dem über 50 Lehrende einen Betreuungsschlüssel für Studierende an der Fachhochschule gefordert haben. Ein schlechter Betreuungsschlüssel senkt nicht nur das Bildungsniveau, sondern auch das Versorgungsniveau und die Qualität der Sozialen Arbeit in Berlin. Es ist wichtig, die Nutzer*innen der Sozialen Arbeit miteinzubeziehen, fordert die Professorin.
Die Informationsveranstaltung traf auf viel Interesse. Allein in Berlin kamen 70 Teilnehmer*innen zusammen, zudem wurde die Veranstaltung gestreamt und bundesweit fanden public viewings statt.
Mehr als 8.200 Personen haben an der von Professor Nikolaus Mayer (Hochschule Fulda) und ver.di durchgeführten Online-Befragung zu den Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit nach der Pandemie teilgenommen. Die im November vergangenen Jahres durchgeführte Befragung ist bereits die dritte Untersuchung dieser Art. Das aktuelle Ergebnis: Die Nachfrage nach unterstützenden Angeboten der Sozialen Arbeit hat zugenommen und die Problemlagen der Adressat*innen sind komplexer geworden. Durch den gestiegenen Hilfebedarf hat sich die Personalnot weiter verschärft. Es kommt zu einem häufigeren Arbeitsplatzwechsel der Beschäftigten und fast 80 Prozent der Befragten wollen der Untersuchung zufolge nicht bis zur Rente in der Sozialen Arbeit bleiben.
Behindertenhilfe, Teilhabe- und Inklusionsdienste
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