Rund um den Buß- und Bettag machen Kolleg*innen aus der Altenpflege alljährlich mit betrieblichen Aktionen auf die unhaltbaren Zustände aufmerksam. »Lautstark für solidarische Pflege«, lautet das diesjährige Motto. »Ganz klar: Wenn die Beschäftigten der Altenpflege nicht laut- und sichtbar sind, wird es keine Verbesserungen geben«, sagt Matthias Gruß von ver.di. Das sei aber dringend nötig. Überall fehle es an Personal. Der zunehmende Altersdurchschnitt in der Gesellschaft – aber auch unter den Beschäftigten – verschärfe das Problem weiter. Die Schlussfolgerung des Gewerkschafters: »Die Altenpflege muss attraktiver werden. Und das heißt vor allem: bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung.«
Dafür streiten zum Beispiel die Beschäftigten der Arbeiterwohlfahrt im Saarland. Am Samstag (25. November 2023) machten sie kreativ sichtbar, wie sie die Lage in ihrer Branche einschätzen: Sie legten sich vor dem Seniorenzentrum Riegelsberg St. Joseph ins Pflegebett, daneben ein selbstgebastelter Pflegeroboter aus Pappe. »Wenn sich die Bedingungen nicht verbessern, ist irgendwann keiner mehr da, der die Arbeit macht«, erklärt die Pflegefachkraft Nicole Spath. »Sollen dann Maschinen die Pflege übernehmen?«
Aus ihrer Sicht ist nicht die Bezahlung das größte Problem – zumindest nicht für Fachkräfte, die in einer Einrichtung mit ver.di-Tarifvertrag arbeiten. Es sei der Arbeitsalltag, der die Menschen aus dem Beruf treibt. »Früher konnte man auch mal mit den Bewohnerinnen und Bewohnern spazieren gehen, das ist heute gar nicht mehr drin«, berichtet die 41-Jährige. »Das Menschliche, wofür man den Beruf mal angefangen hat, bleibt auf der Strecke.«
Sie kritisiert auch die Arbeitsaufteilung unter den Pflegekräften unterschiedlicher Qualifikationen. »Die einen waschen im Akkord, die anderen sitzen nur im Büro, das macht alle unzufrieden.« In der Altenpflege dürfe es nicht nur um Effizienz gehen, fordert Nicole Spath. Viele Probleme führt die Gewerkschafterin darauf zurück, dass weite Teile der Altenpflege von kommerziellen Firmen beherrscht werden. »Ich finde: Wo es um Menschen geht, hat Profitorientierung nichts zu suchen.«
Das meint auch Hajo Schneider aus dem nordrhein-westfälischen Moers. Hier haben am Dienstag (21. November 2023) etwa 250 Beschäftigte mit einer Kundgebung und Demonstration demonstriert. »Es ging uns diesmal nicht nur um die Situation in der Altenpflege, sondern um die gesamte freie Wohlfahrtspflege, die von drastischen Kürzungen bedroht ist«, erklärt der Betriebsratsvorsitzende des AWO-Seniorenzentrums Schwafheim. Die verschiedenen Bereiche des Gesundheits- und Sozialwesens dürften sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Die soziale Infrastruktur müsse erhalten bleiben. Diese sei auch in der Langzeitpflege gefährdet. »Inzwischen machen fast alle Pflegeeinrichtungen Verluste, es kommt zunehmend zu Insolvenzen«, berichtet Hajo Schneider. »Das gefährdet Arbeitsplätze und die Versorgung, auf die die Menschen dringend angewiesen sind.« Von den politisch Verantwortlichen sowohl in der Landes- als auch der Bundesregierung ist er enttäuscht. »Weder Laumann noch Lauterbach kümmern sich um die Altenpflege«, kritisiert Hajo Schneider. »Wir können uns auf die Politik nicht verlassen, sondern müssen selbst laut werden.«