Tarifabschluss bei Pflegen und Wohnen in Hamburg bringt deutliche Verbesserungen und ein Ende der Ungleichbehandlung in der Belegschaft. Beschäftigte und Unternehmen profitieren.
Die Ungleichbehandlung unter den rund 2.000 Beschäftigten des Hamburger Pflegeheimbetreibers Pflegen und Wohnen hat ein Ende. »Mit dem Tarifabschluss haben wir es geschafft, die bisher unterschiedlichen Entgelttabellen zusammenzuführen und das Niveau insgesamt zu erhöhen«, erklärt Hilke Stein, die bei ver.di in Hamburg für das Gesundheits- und Sozialwesen zuständig ist. Dass die Beschäftigten bislang unterschiedlich vergütet wurden, war das Ergebnis eines großen Konflikts vor acht Jahren. Mit einem 42-tägigen Arbeitskampf hatten sich die Beschäftigten gegen die Tarifflucht des 2007 privatisierten Pflegeheimbetreibers gewehrt. Der damals hart erkämpfte Haustarifvertrag war ein großer Erfolg, allerdings beinhaltete er eine Entgelttabelle mit nur drei Stufen und eine reduzierte Jahressonderzahlung für Neueingestellte. »Diese Zweiteilung der Belegschaft wird mit dem neuen Tarifvertrag endlich überwunden«, so Stein.
Generell steigen die Löhne und Gehälter bei einer Laufzeit von 24 Monaten am 1. Januar 2020 um 4,9 Prozent und im folgenden Jahr um weitere 4,7 Prozent. Pflegefachkräfte kommen damit ab 2021 auf ein Einstiegsgehalt von 3.044 Euro, in der Endstufe auf 3.674 Euro. Die Ausbildungsvergütung steigt 2020 um 100 auf zwischen 1.160 Euro im ersten und 1.350 Euro im dritten Ausbildungsjahr. Hinzu kommen höhere Zulagen in Demenzbereichen sowie eine einheitliche Jahressonderzahlung von 100 Prozent eines Monatseinkommens für alle. Zudem gibt es einen Bonus für ver.di-Mitglieder in Höhe von 156 Euro Erholungsbeihilfe bzw. 90 Euro für Auszubildende.
»Es ist uns damit gelungen, den Tarifvertrag im ungekündigten Zustand weiterzuentwickeln«, erläutert die ver.di-Landesfachbereichsleiterin Stein. Dass dies möglich war, habe auch mit der Erinnerung an den wochenlangen Streik Anfang des Jahrzehnts zu tun, der »allen, die damals dabei waren, immer noch nah geht«. Nach dem Arbeitskampf habe sich das Management für einen sozialpartnerschaftlichen Kurs entschieden. Dieser wird offenbar auch nach den jüngsten Eigentümerwechseln nicht in Frage gestellt. 2017 hatte der US-Finanzinvestor Oaktree die Pflegeheimkette übernommen, um sie bereits ein Jahr später an die Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen weiterzuverkaufen. Doch auch unter der neuen Konstellation wurden die Tarifverträge nicht angetastet und nun im Konsens weiterentwickelt.
Pflegen und Wohnen positioniere sich mit der neuen Vereinbarung »weiterhin als vorbildlicher und fairer Arbeitgeber in der Pflegebranche«, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Die Gewerkschafterin Stein will dem nicht widersprechen und hebt hervor, dass der Tarifvertag sowohl den Beschäftigten als auch dem Unternehmen Vorteile bringt. »Eine gute tarifliche Bezahlung ist ein Qualitätsmerkmal. Wenn es Arbeitgeber gibt, die das erkennen und damit öffentlich werben – umso besser.« Im Wettbewerb um Arbeitskräfte könne das Unternehmen so attraktiver werden.
Denn auch in Hamburg haben Tarifverträge in der Altenhilfe Seltenheitswert: Derzeit sind 71 Prozent der Beschäftigten nicht tarifgebunden. Bei den Wohlfahrtsverbänden AWO und DRK versucht ver.di aktuell, Haustarifverträge durchzusetzen. »Der Tarifvertrag bei Pflegen und Wohnen ist für uns dabei Benchmark«, betont Stein. »Hier haben wir gute Regelungen vereinbart und wir hoffen, dass das hilft, die Branche insgesamt nach oben zu ziehen.« Denn ohne eine finanzielle Aufwertung könnten die dringend benötigten Pflegekräfte nicht gewonnen und im Beruf gehalten werden.