Auch in kirchlichen Einrichtungen fordern Altenpfleger*innen, dass ihre Arbeitsbedingungen und die Bezahlung per Tarifvertrag geregelt werden. Verhandelt wird darüber aktuell in der diakonischen Altenhilfe Hessen sowie der Liebenau Leben im Alter gGmbH in Baden-Württemberg, die zur Caritas gehört.
Endlich wird verhandelt. Nach etlichen Gesprächen haben sich die Träger der diakonischen Altenhilfe in Hessen zu Tarifverhandlungen mit ver.di bereit erklärt. Doch den für August geplanten Verhandlungsauftakt sagten sie zunächst ab, was Protestaktionen in den Einrichtungen nach sich zog. Im Oktober kamen beide Seiten dann tatsächlich zur ersten Verhandlungsrunde zusammen, gefolgt von der zweiten Runde Ende November. Allein das sei ein »Meilenstein«, betont ver.di-Verhandlungsführer Georg Schulze-Ziehaus. Allerdings: Die Gespräche sind kompliziert – schon deshalb, weil die bisherigen Bedingungen in den Diakonischen Werken Hessen-Nassau und Kurhessen-Waldeck ganz unterschiedlich sind. »Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) ist unsere Referenz«, stellt Schulze-Ziehaus klar, auch wenn dieser womöglich nicht in einem Schritt zu erreichen sei.
Gemessen am TVöD hat die Bezahlung in der hessischen Diakonie zwei gravierende Nachteile: Zum einen wird längere Berufserfahrung nicht angemessen honoriert, zum anderen sind Hilfskräfte deutlich schlechter gestellt als im Flächentarifvertrag. »Die Diakonie hat die Bezahlung vor allem an der Arbeitsmarktlage ausgerichtet. Dabei sollten gerade bei kirchlichen Trägern auch soziale Kriterien eine Rolle spielen«, argumentiert Schulze-Ziehaus. »Die Kirche prangert zu Recht an, dass insbesondere Frauen allzu oft in der Altersarmut landen. Mit einem guten Tarifvertrag hat die Diakonie die Möglichkeit, dieses Problem konkret anzugehen.«
Eine weitere zentrale Forderung der Beschäftigten sind kürzere Arbeitszeiten und verlässliche Dienstpläne. »Die Arbeitgeber wollen das Gegenteil«, berichtet die ver.di-Sekretärin Saskia Jensch. »Sie fordern eine 40-Stunden-Woche bei maximaler Flexibilität.« Nach ihren Vorstellungen sollen nur noch 30 Wochenstunden vorab geplant werden – den Rest sollen Vorgesetzte kurzfristig abrufen können. Überstundenzuschläge soll es nur geben, wenn die 40-Stunden-Woche im Jahresdurchschnitt überschritten wird. Zudem sollen sich Beschäftigte zum Dienst bereithalten oder kurzfristig einspringen. Wie neuerdings in den Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD) soll es dafür geringe, sogenannte Vertretungszuschläge geben. »Eine solche Total-Flexibilisierung auf Kosten der Beschäftigten werden wir auf keinen Fall zulassen«, erklärt Jensch. »Die Kolleginnen in der Altenpflege brauchen dringend Entlastung – nicht das Gegenteil. Das werden wir den Arbeitgebern weiter deutlich machen.«.
Insgesamt eine Million Euro pro Jahr – so viel verdienen die rund 800 Beschäftigten der Liebenau Leben im Alter gGmbH nach ver.di-Berechnungen weniger als im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Dessen Niveau ist auch in den Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Caritas festgeschrieben, von denen das Tochterunternehmen der Stiftung Liebenau allerdings schon seit Jahren abweicht. Um diesen Zustand zu beenden, hat ver.di Tarifverhandlungen für die 19 Pflegeeinrichtungen aufgenommen. »Unser Ziel ist ganz klar, die Entgelte und Bedingungen an den TVöD anzugleichen. Der Arbeitgeber stellt sich aber offenbar vor, er könnte den Status Quo mit kleinen Verbesserungen in einem Tarifvertrag festschreiben. Das ist mit uns nicht zu machen«, stellte Yvonne Baumann vom ver.di-Landesbezirk Baden-Württemberg nach der zweiten Verhandlungsrunde Ende Januar klar.
Vom Lohnniveau des öffentlichen Dienstes und anderer Caritas-Einrichtungen sei das Arbeitgeberangebot noch »meilenweit entfernt«, kritisierte Baumann. Eine kleine Verbesserung hätten die Verhandlungen aber schon gebracht: Eine bereits 2018 versprochene Lohnerhöhung von 1,04 bis 1,41 Prozent wird seit Anfang dieses Jahres ausgezahlt. »Das ist ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein, aber immerhin. Jetzt wollen wir in der nächsten Verhandlungsrunde am 18. Februar ein deutlich verbessertes Angebot sehen«, betonte die Gewerkschafterin. Die Beschäftigten wollen dies in den kommenden Tagen mit einer Luftballon-Aktion vor den Einrichtungen bekräftigen. Ihr Motto: »Wir wollen mehr als heiße Luft!«
Die Verhandlungen hätten bereits gezeigt, dass es vom Arbeitgeber nichts geschenkt gebe, meinte Baumann. »Die Kolleginnen und Kollegen müssen jetzt deutlich machen, dass sie hinter den Tarifforderungen stehen.« Etliche Beschäftigte haben sich das bereits zu Herzen genommen. Waren noch Anfang 2019 nur vier Kolleg*innen in der Liebenau Gewerkschaftsmitglied, sind es inzwischen 238.
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