Die ver.di-Aktiven bei Pflegen & Wohnen in Hamburg hatten in der diesjährigen Tarifrunde einen klaren Fokus: Entlastung durch mehr freie Zeit. »Die Belastung der Kolleginnen und Kollegen ist extrem hoch, ebenso der Krankenstand. Deshalb wollten wir in den Tarifverhandlungen unbedingt mehr Zeit für Erholung durchsetzen«, erläutert der Altenpfleger und Betriebsrat Andreas Haß, der sich bei dem Hamburger Pflegeheimbetreiber in der ver.di-Tarifkommission engagiert. »Und das haben wir geschafft.« Mit der im Juli erzielten Tarifvereinbarung wird die Arbeitszeit der rund 2.000 Beschäftigten um eine auf 38 Stunden pro Woche verkürzt. Zudem gibt es ab 2025 für alle – nicht mehr nur ältere Beschäftigte – einen zusätzlichen »Gesundheitstag« frei. Die Regelungen zum Zusatzurlaub bei Schichtarbeit werden vereinfacht und verbessert: Künftig erhalten alle Beschäftigten im Schichtdienst einheitlich drei Tage Zusatzurlaub im Jahr.
Bei Pflegen & Wohnen hat es schon Tradition: Vor jeder Tarifrunde werden die Beschäftigten nach ihren Forderungen und Prioritäten gefragt. Bei der letzten Tarifverhandlung vor zwei Jahren war es ganz klar das Geld. Und tatsächlich konnte ver.di für die Beschäftigten, von denen über ein Drittel gewerkschaftlich organisiert ist, 2022 eine Lohnerhöhung von 450 Euro herausholen. »Das war ein gutes Ergebnis und die richtige Antwort auf die Preisexplosion«, meint Andreas Haß. »Diesmal stand daher das Geld nicht so stark im Vordergrund.« Mit dem Verhandlungsergebnis werden die Entgelte 2025 um zwei Prozent und 2026 um weitere 3,25 Prozent erhöht. Auszubildende erhalten 2025 sechs und 2026 drei Prozent mehr. Hinzu kommen weitere Verbesserungen bei Jubiläumszahlungen und Einspringprämien. Die Entgelttabellen bei Pflegen & Wohnen liegen damit weit über dem, was in anderen norddeutschen Pflegeeinrichtungen gezahlt wird.
»Das ist auch unbedingt nötig, sonst finden wir in einer teuren Stadt wie Hamburg keine Leute«, erklärt die Altenpflegerin Tanja Döring, ebenfalls Mitglied der ver.di-Tarifkommission. »Tarifverträge regeln mehr als die Bezahlung. Es geht auch um Urlaub, Arbeitszeit und vieles mehr – das ist in dieser Tarifrunde deutlich geworden.«
Ebenfalls erreicht hat ver.di, dass betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2026 ausgeschlossen werden. »Angesichts des geplanten Verkaufs wollten wir die Kolleginnen und Kollegen möglichst gut absichern«, erläutert der ver.di-Verhandlungsführer Arnold Rekittke. Der Immobilienkonzern Vonoviva, der Pflegen & Wohnen im Zuge der Übernahme der Deutsche Wohnen 2021 ins Portfolio bekam, will die Hamburger Pflegekette verkaufen. Wer den Zuschlag bekommt, ist bislang unklar. »Dass Konzerne zur Profitmaximierung mit Pflegeeinrichtungen jonglieren, ist ein Unding«, findet Arnold Rekittke. »In so einer Situation ist eine aktive und gut organisierte Belegschaft besonders wichtig. Und gute Tarifverträge.«