Der US-Finanzinvestor Oaktree hat im Sommer 2017 die Vitanas gekauft. Macht sich dies im Arbeitsalltag bereits bemerkbar?
In den Einrichtungen mischt sich derzeit Aufbruchsstimmung mit Unsicherheit. Der Investor sagt ganz offen, dass man fünf bis sieben Jahre im Unternehmen bleiben wolle, um es dann gewinnbringend zu verkaufen. Wir spüren schon jetzt sehr deutlich, dass da ein neuer Betreiber ist. Das Controlling ist sehr viel straffer. Im Moment werden die einzelnen Betriebsstätten auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft.
ver.di warnt davor, dass die Altenpflege zunehmend zum Spekulationsobjekt von Finanzinvestoren und Großkonzernen wird. Der Anteil privatwirtschaftlicher Betriebe stieg zwischen 1999 und 2015 von 43,7 auf 52,3 Prozent. Tendenz steigend. Zuletzt haben insbesondere Finanzinvestoren und ausländische Großkonzerne die Pflege als Profitquelle entdeckt. So geschehen bei der Pflegeheimkette Vitanas, die im Sommer von der US-Investmentgesellschaft Oaktree aufgekauft wurde. Beschäftigte und pflegebedürftige Menschen haben das Nachsehen.
Die Methoden der renditegetriebenen privaten Konzerne setzen auch öffentliche und freigemeinnützige Träger unter Druck und wirken sich so negativ auf die gesamte Branche aus. „Es ist unverantwortlich, die Pflege Finanzinvestoren auszuliefern“, sagt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Sie setzen alles daran, den Wert ihrer Investments durch aggressive Expansion und Kostensenkung zu steigern.“
Warum die Aufbruchsstimmung?
Versprochen werden jetzt erst einmal mehr Fachkräfte und ein florierendes Unternehmen. Aus unserer Sicht hatte der alte Betreiber das Unternehmen ausgeblutet. Daher finden wir den Plan, das Unternehmen wieder ans Laufen zu bringen, erst einmal gut. Was das für uns Beschäftigte bedeutet, werden wir sehen müssen. Hinterher sind wir wohl schlauer.
In welcher Situation war die Vitanas vor dem Verkauf?
Die Marktfähigkeit des Unternehmens war aus unserer Sicht in Frage gestellt. Unser Lohnniveau liegt an unterster Stelle. Da muss sich etwas tun, damit wir überhaupt neues Personal bekommen.
Wie sieht der Betriebsrat die neue Lage?
Unser GBR und unsere 24 Betriebsräte trauen dem „Wolf im Schafspelz“ nicht ganz. Grundsätzlich sind wir offen für Veränderungen, warten jetzt aber auch auf tatsächliche Verbesserungen in den Betriebsstätten. Die angestrebten Veränderungen und die speziell darauf ausgerichteten Projekte sind ambitioniert. Gespart wird in der Pflege leider immer zuerst am Personal. Daher hoffen wir, dass die Veränderungen verträglich sein werden für die Belegschaft. Ein Desaster wäre, wenn Oaktree nur an unseren Grundstücken interessiert ist und uns zerschlagen wird.
Wie geht man als Belegschaft und Betriebsrat mit einer solchen Situation um?
Wir hatten im Vorfeld öffentlich gegen den Verkauf protestiert. Denn wir sind überzeugt davon, dass Pflege grundsätzlich nicht in private Hände gehört. Wo es um Maximalprofit geht, sind die Leidtragenden die Arbeitnehmer/innen und die Bewohner/innen. Aber man kann sich ja seinen Besitzer nicht aussuchen. Also müssen wir mit der Situation jetzt umgehen. Und da ist ein florierendes Unternehmen für uns Beschäftigte besser, als ein marodes. Also pflegen wir jetzt den direkten Austausch mit der Geschäftsführung, um für uns das Beste rauszuholen. Zugleich aber versuchen wir, möglichst viele Betriebsvereinbarungen abzuschließen, um Pflöcke im Umgang mit der Belegschaft einzuschlagen. Und wir werben Mitglieder für ver.di, um möglichst bald einen Tarifvertrag abschließen zu können.
Fragen: Uta von Schrenk
Der Renditedruck von Private-Equity-Gesellschaften auf Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, hat zwei Ursachen: Zum einen erwarten die Kapitalgeber eine Mindestrendite – die sogenannte »Hurdle Rate«. Zum anderen wollen aber auch die Manager der Beteiligungsgesellschaft viel verdienen. Sie erhalten erstens eine pauschale Verwaltungsgebühr, die sich an der Höhe der verwalteten Gelder bemisst (»Management Fee«). Die zweite, wichtigere Komponente sind die »Carried Interests«: Die Manager werden am Weiterverkaufserlös der Unternehmen beteiligt, wenn dieser die »Hurdle Rate« übersteigt. In Deutschland lag die »Management Fee« 2016 bei durchschnittlich 1,9 Prozent; die »Carried Interests« beliefen sich auf 19,8 Prozent. Die »Hurdle Rate«, also die Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals, lag im Durchschnitt bei 7,9 Prozent. Wenn sie nicht über die »Hurdle Rate« kommen, gehen die Fondsmanager bis auf die Verwaltungsgebühr leer aus. Sie versuchen daher mit allen Mitteln, die Rendite in die Höhe zu treiben. Letztlich werden all diese Gewinne den Unternehmen entzogen. (Quelle: Scheuplein et al.: Private Equitiy Monitor 2016, Hans-Böckler-Stiftung, April 2017)
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