Stellungnahme des Konzernbetriebsrats der Victor's Betreuungsdienste Brandenburg GmbH, die zum kommerziellen Pflegeheimbetreiber Pro Seniore gehört.
Die Beschäftigten in der Altenpflege werden leider immer noch häufig auf eine Tätigkeit reduziert, die von Vielen als »Abwischen« bezeichnet wird. Die Lobby des Berufs ist gesellschaftlich nach wie vor gering. Wir galten zu Beginn der Pandemie als »Helden des Alltags«, wurden mit Applaus bedacht. Mit Andauern der Krise nahm das öffentliche Interesse an unserem täglichen Einsatz, den wir auch unter schwierigsten Bedingungen leisten, zusehends wieder ab.
Das »Abwischen« ist der geringste Teil unserer Arbeit und es ist traurig – nein, es macht uns wütend –, dass wir immer noch darauf reduziert werden. Wir sind die engsten Bezugspersonen unserer Bewohner*innen. Wir sind in dem Moment da, an dem sie bei uns einziehen, und wir sind die, die sie am Ende hinaus begleiten. In der oft sehr langen Zeit, die sie bei uns leben, sind wir tagtäglich für sie da, unterstützen sie 24 Stunden, rund um die Uhr, bei allem, bei dem sie Unterstützung benötigen. Von der Körperpflege über essen und trinken, jede Bewegung, die fröhlichen und – noch viel häufiger – die hoffnungslosen und traurigen Momente.
Wir beobachten jede noch so minimale Veränderung im Gesundheitszustand, kümmern uns um jegliche medizinische Versorgung, kommunizieren und diskutieren mit Krankenkassen, um die Genehmigungen für notwendige Fahrten zu Ärzten, Therapien usw. zu klären. Wir organisieren Therapien, die in der Einrichtung stattfinden können. Wir organisieren geistlichen Beistand, wenn er gewünscht und benötigt wird – auch die letzte Ölung wird durch uns veranlasst, wenn wir wissen, dass es für den Sterbenden oder die Sterbende wichtig ist. Wir sorgen dafür, dass der Tagesablauf geprägt wird durch Aktivitäten, die die einzelnen Personen mögen, und Routinen, die ihnen wichtig sind. Wir betreuen aber unter anderem auch die Angehörigen, die es benötigen. Weil sie vielleicht damit überfordert sind, mit Verschlechterung des Allgemeinzustandes umzugehen. Weil sie Ängste haben, weil sie einfach ein Wort des Zuspruchs brauchen.
Und wir sind es, die unser Möglichstes tun, unsere Bewohner würdevoll im Sterben zu begleiten. Wir sind es, die immer wieder einfühlsam die schweren Worte aussprechen müssen, dass Mutter oder Vater verstorben sind, die Angehörigen trösten und ihnen einfühlsam erklären, was veranlasst werden muss, wenn sie mit der Trauer konfrontiert und überfordert sind.
In irgendeinem Moment unseres Lebens werden wir alle einmal Pflege benötigen und dann muss jedem von uns bewusst sein, dass die Pflegekräfte, die für uns da sind, bewusst diesen Weg gewählt haben und den Beruf mit Stolz und Liebe zu dem, was sie tun, ausüben.
Aus diesem Grund hatten wir als Beschäftigte eines privaten Unternehmens der Altenpflege, das derzeit nicht tarifgebunden ist, große Hoffnungen in den Tarifvertrag gesetzt, den ver.di mit dem BVAP geschlossen hatte. Wir alle haben dem Tag entgegengefiebert, an dem unter anderem die kirchlichen Träger dem Tarifvertrag zustimmen sollten, um diesen dann in die Gremien der Bundesregierung, an Jens Spahn und Hubertus Heil, zur endgültigen Verabschiedung zu übergeben.
Als wir am Abend des 25. Februar 2021 aus den Medien erfuhren, dass die Vertreter der Caritas die Zustimmung zum Tarifvertrag verweigert haben, waren wir alle schockiert, enttäuscht, wütend und vor allem ratlos. Die Caritas begründete ihre Entscheidung unter anderem damit, dass verschiedene Punkte des Tarifvertrags Nachteile für ihre Mitarbeiter*innen mit sich bringen würden. Als im Anschluss die Diakonie ebenfalls mitteilte, sich der Zustimmung zu enthalten, machte sich Hoffnungslosigkeit breit. Gerade jene, die ihren Glauben leben und den Beruf, der für sie Berufung ist, ausüben, stellen diese Entscheidung in Frage und fühlen sich nun verlassen.
Viele Unternehmen beschäftigen mittlerweile Pflegekräfte aus dem Ausland, die teilweise viel stärker in den christlichen Werten verwurzelt und nach Deutschland gekommen sind, um hier durch den Beruf eine wirtschaftliche Sicherheit zu erreichen. Sie müssen von ihrem Verdienst zumeist ihre Familien in der Heimat voll mitunterstützen. Alleinerziehende Mütter sind teilweise dazu gezwungen, zusätzlich Minijobs auszuüben, welche die sowieso knapp bemessene Freizeit weiter verringern, oder finanzielle Unterstützung durch den Staat in Anspruch zu nehmen. Dies stellt für sie eine große zusätzliche psychische und körperliche Belastung dar.
Die entscheidenden Personen berücksichtigten dabei ebenfalls nicht, dass der Tarifvertrag für zigtausende Beschäftigte bundesweit endlich bessere Bezahlung, Urlaubsgeld, mehr Urlaub und vor allem für die Beschäftigten in den neuen Bundesländern endlich eine Angleichung der Gehälter bedeutet hätte.
Kolleginnen und Kollegen fragen nun fast täglich, wie es weitergeht, ob es zu weiteren Verhandlungen kommt, ob die entscheidenden Personen vielleicht doch bereit wären, noch einmal ihren Standpunkt zu überdenken und zu erkennen, dass sie mit ihrer Entscheidung verhindert haben, den Beruf Altenpflege attraktiver zu machen und somit den zunehmenden Schwund an Menschen, die bereit sind, diesen zu ergreifen, einzugrenzen.
Im Namen aller Pflegenden appellieren wir deshalb nochmals an alle in der Branche vertretenen Anbieter um Würdigung und Anerkennung unserer Arbeit, um den Fortbestand unseres Berufsstandes zu sichern, entsprechend zu honorieren und hierdurch mit Hinblick auf die demografische Entwicklung in Deutschland aufzuwerten.
Ich arbeite gerne in einem kirchlichen Betrieb und das seit 21 Jahren. Die ambulante Pflege war und ist eine erfüllende Arbeit. Aber im Laufe der Jahre gab es immer wieder Situationen, die mich an der Institution Kirche, der Kirche als Arbeitgeber mit ihren Gremien und Entscheidungen, in große Unzufriedenheit und Zweifel brachten. Mir platzte bildlich gesprochen der Kragen.
Dass der Betrieb, in dem ich arbeite, nicht den für Niedersachsen verbindlichen Tarif (TVDN), sondern nach hauseigenen Entgelten zahlt, obwohl er Mitglied im Diakonischen Werk in Niedersachsen ist, bereitet mir und den Kollegen Bauchschmerzen. Mir bleibt damit als zukünftige Rentnerin eine Rente, die trotz einer mehr als dreiviertel Stelle unter der Grundrente liegt.
Auch die Bereitstellung und Förderung von gesundheitsfördernden Maßnahmen in oder neben der Arbeitsstruktur ist in kirchlichen Betrieben nur schwer umzusetzen.
Den letzten Schlag in die Magengrube gab mir das Abstimmungsverhalten der Caritas bzw. die Nichtabstimmung des Diakonischen Werkes in Bezug auf das Tarifergebnis zwischen ver.di und der BVAP, das die Grundlage für die Erstreckung auf die gesamte Branche der Altenpflege stellen sollte. Der Tarif wäre nicht das goldene Ei gewesen und hätte nicht an den eigentlich für Niedersachsen verbindlichen Tarif (TVDN) herangereicht, aber er hätte auch für die privaten Arbeitgeber verpflichtend werden können.
Die ethischen Kriterien, die ich an den Arbeitgeber Kirche stelle, wie einen gesamtgesellschaftlichen Blickwinkel und eine Fürsorgepflicht für einzelne Arbeitnehmer, sind durch dieses Abstimmungsverhalten bzw. Nichtverhalten einfach vom Tisch gefegt worden. Durch die Erfahrung in Bezug auf den Arbeitgeber Kirche denke ich, wird es nicht der letzte Tiefschlag gewesen sein.
S. Matalla arbeitet seit 21 Jahren in der ambulanten Altenpflege in Niedersachen