Aufmerksamkeit erregen, Öffentlichkeit und Politik unter Druck setzen – das machten kürzlich Landwirte, die mit ihren Traktoren wochenlang Autobahnzufahrten und Straßen blockierten. »Die Bauern wurden von den politisch Verantwortlichen wahrgenommen, eine solche Aufmerksamkeit brauchen wir auch für die Altenpflege«, meint Hajo Schneider, Betriebsratsvorsitzende des AWO-Seniorenzentrums Schwafheim im nordrhein-westfälischen Moers. Deshalb stellten er und seine Mitstreiter*innen anlässlich einer Aktionswoche der freien Wohlfahrtspflege in NRW eine aufsehenerregende Aktion auf die Beine: Mit zwei Pflegebetten protestierten sie am 10. Juni 2024 an der Auffahrt zur A40 in Moers gegen den Pflegenotstand.
»Es war zwar mieses Wetter, dennoch hatte die Aktion eine große Wirkung«, berichtet Schneider, der die Aktion selbstverständlich bei der Polizei anmeldete und nach einigem hin und her die Genehmigung bekam. »Wir haben ja schon alles Mögliche gemacht. Ich war baden in der Ostsee, bin bei der Gesundheitsministerkonferenz in Düsseldorf in ein Wasserfass gestiegen, bin mit dem Rad nach Friedrichshafen gefahren«, so der Gewerkschafter. »Dennoch dringen wir nicht durch. Dabei hat die dramatische Situation in der Altenpflege Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft.« Angesichts des Personalmangels sei würdevolle Pflege oft nicht möglich. Die Pflegeversicherung stehe vor dem Kollaps. »Wir müssen Alarm schlagen. Und damit wir gehört werden, braucht es offenbar spektakuläre Aktionen.«
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des AWO-Bezirks Niederrhein hält eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung für unabdingbar. »Weiter abzuwarten ist keine Option.« Die Pflegeversicherung müsse kurzfristig von versicherungsfremden Leistungen entlastet werden. So seien die Rentenversicherung pflegender Angehöriger und die Übernahme pandemiebedingter Kosten gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nicht allein den Pflegeversicherten aufgebürdet werden dürften. »Grundsätzlich braucht es eine Solidarische Pflegegarantie, die alle pflegebedingten Kosten abdeckt und von allen solidarisch finanziert wird«, erklärt Schneider. Dies wäre die finanzielle Grundlage für dringend nötige Verbesserungen in der Altenpflege. »Dafür machen wir Druck. Müssen erst überall im Land Pflegebetten an der Autobahn stehen, damit sich endlich etwas tut?«