„Bibliotheken sind kein Luxus“

05.05.2022

In Zeiten knapper Kassen darf an Bibliotheken nicht gespart werden, im Gegenteil, so lautet ganz klar die Botschaft von ver.di und dem Deutschen Bibliotheksverband (dbv). „Bibliotheken sind kein Luxus, sondern elementar für unser Leben“, betonte Sylvia Bühler, Leiterin des ver.di-Fachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft, auf einer digitalen Diskussionsveranstaltung von ver.di und dem dbv am Mittwochabend. „Sie ermöglichen einen nichtkommerziellen, unkomplizierten Zugang zu Kultur, Bildung und Wissen.“ Viele Menschen könnten sich kein Zeitungsabo oder keine neuen Kinderbücher leisten. Bibliotheken hätten einen sehr wichtigen Auftrag. „Aber da ist vieles unter die Räder gekommen.“ In vielen Bibliotheken fehle es an Personal, Stellen blieben unbesetzt. Dadurch steige der Stress für die Beschäftigten und Öffnungszeiten könnten teilweise nicht eingehalten werden.

Unter dem Titel „Nachhaltige Förderung von Bibliotheken – gerade in Krisenzeiten“ stellten ver.di und der dbv auf der Veranstaltung mit über 80 Teilnehmenden ein gemeinsames Positionspapier vor. In dem Sechs-Punkte-Papier betonen sie die große Bedeutung von Bibliotheken und fordern, die öffentlichen Einrichtungen finanziell so auszustatten, „dass sie ihren vielfältigen Aufgaben gerecht werden können“. Auf der Agenda stehen auch faire Arbeitsbedingungen und gute Weiterbildungsmöglichkeiten, gerade mit Blick auf die Digitalisierung.

 
Diskussion zu Bibliotheken

Der dbv-Präsident Frank Mentrup bezeichnete öffentliche Bibliotheken als „weltweit erfolgreichste Kulturinstitution überhaupt“, was die Besucherzahlen, aber auch was die niedrigschwelligen Angebote angehe. Die Häuser übernähmen über das Ausleihen von Medien hinaus eine immer wichtigere Funktion im Sozialraum. Sie seien Sozial-, Kultur- und Bildungsinstitution in einem. Mentrup warnte Kommunen davor, sich in Zeiten knapper Kassen zu Diskussionen über die notwendige Mindestausstattung der Bibliotheken hinreißen zu lassen. Vielmehr müssten sie ihre Angebote ausbauen, gerade in Krisenzeiten. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh betonte, dass häufig vor allem Bibliotheken in Städten mit schwieriger Sozialstruktur schlecht ausgestattet seien. „Dabei müsste es genau umgekehrt sein.“ Kommunen mit eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten hätten besonders großen Bedarf an guten Bibliotheken. Dafür sei auch die personelle Ausstattung sehr wichtig.

Sylvia Bühler von ver.di berichtete, dass Stellen teilweise lange unbesetzt blieben. Dadurch steige der Stress für die Beschäftigten, die immer vielfältigere Aufgaben zu bewältigen hätten. Zudem würden als Folge mitunter die Öffnungszeiten reduziert. „Wir brauchen genug Personal, um das Spektrum, das Bibliotheken leisten können, auch abdecken zu können“, bekräftigte die Gewerkschafterin. „Wir brauchen gut qualifiziertes Personal und das muss anständig bezahlt werden.“ Nicht erst seit der Coronapandemie habe die Digitalisierung enorm zugenommen. Dafür benötigten die Bibliotheken nicht nur die technische Ausstattung, sondern die Kolleg*innen müssten auch entsprechend qualifiziert werden. Die Arbeitgeber könnten nicht erwarten, dass die Beschäftigten dafür ihre Freizeit aufwendeten. „Die Arbeitgeber müssen einen Anreiz geben“, betonte Bühler. Für die Fortbildung müssten die Beschäftigten freigestellt werden und weiter ihr Geld bekommen. Nur so könnten sie ihren Aufgaben gut gerecht werden.

Der dbv-Präsident Mentrup bezeichnete fehlenden Nachwuchs als großes Problem. Wie in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes stehe eine Pensionierungswelle bevor. In Zukunft werde es noch schwerer, die Stellen in Bibliotheken zu besetzen. „Wir müssen das Berufsbild attraktiver machen“, betonte Mentrup. Dazu gehörten gute Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten zur Weiterbildung, aber auch mehr Bewusstsein dafür, was den Beruf ausmache. „Es geht längst nicht mehr nur darum, Bücher auszuleihen.“

 
Diskussion zur nachhaltigen Förderung von Bibliotheken

In der Debatte bemerkte Matthias Neis, bei ver.di zuständig für Bibliotheken, dass die Einrichtungen eine wichtige Funktion im Sozialraum erfüllten. „Sie können aber andere Angebote nicht ersetzen.“ Viele nichtkommerzielle Angebote seien in den letzten Jahren weggebrochen. Doch Bibliotheken seien keine Ersatzorte, sondern wichtige Partner in einem Netz sozialer Einrichtungen vor Ort. Auch Bühler betonte, dass sie nicht mit Jugendhäusern oder Nachbarschaftsheimen in Konkurrenz treten sollten. Die Angebote dürften nicht zulasten der sozialen oder kulturellen Arbeit gehen. „Stattdessen kommt es auf ein gutes Miteinander an.“

In der Debatte kam am Rande auch immer wieder die Frage nach der Sonntagsöffnung auf. „Es hat einen guten Grund, warum Sonntagsarbeit verboten ist“, betonte Neis. „Familien sollen die Möglichkeit haben, einen Tag lang Zeit miteinander zu verbringen. Das gilt auch für die Familien von Bibliotheksbeschäftigten.“ Vielmehr müsse es darum gehen, die Öffnungszeiten unter der Woche zu gewährleisten. Gerade auf dem Land stünden die Menschen werktags oft vor verschlossenen Türen. „Da müssen wir ran“, so der Gewerkschafter. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel, Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales, warnte davor, die Diskussion auf die Sonntagsöffnung zu reduzieren. „Ich persönlich halte davon gar nichts.“ Er verwies auf das Schutzbedürfnis der Beschäftigten. Zudem sei gerade mit Blick auf den Nachwuchsmangel wichtig, dass der öffentliche Dienst attraktive Arbeitsplätze biete. Dazu gehöre auch, Schluss zu machen mit befristeten Arbeitsverhältnissen.

Gemeinsam wollen sich ver.di und der dbv dafür stark machen, dass die Bibliotheken für die Zukunft gut gerüstet sind. Angeregt werden lokale Veranstaltungen, organisiert von der örtlichen Bibliothek und der ver.di-Ortsgruppe. Dabei soll mit der Bevölkerung über die Bedeutung der öffentlichen Bibliotheken und ihre Erwartungen diskutiert werden. „Um ihren Aufgaben gerecht werden zu können, muss Geld in die Hand genommen werden“, bekräftigte Bühler. „Dafür werden wir kräftig streiten.“

veröffentlicht am 5. Mai 2022

 

Die Aufzeichnung der Veranstaltung

 

 

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Kontakt

  • Matthias Neis

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    030/6956-2006