Die Beschäftigten der Berliner Assistenzbetriebe Neue Lebenswege GmbH und ambulante dienste e.V. haben sich bereits durchgesetzt: Ihr Tarifvertrag, der die im Tarifvertrag der Länder (TV-L) vereinbarte Lohnerhöhung und die Inflationsausgleichsprämie nachvollzieht, wird von den Kostenträgern refinanziert. Dafür gingen Beschäftigte und Assistenznehmer*innen Mitte Juni gemeinsam auf die Straße. Nun folgte der nächste Protest: Am Donnerstag (10. Oktober 2024) demonstrierten etwa 70 Persönliche Assistent*innen und Menschen mit Behinderungen vor der Senatsverwaltung für Soziales in Berlin-Kreuzberg. Ihre Forderung: Auch im sogenannten Arbeitgeber*innenmodell, bei dem die Beschäftigten direkt bei den Assistenznehmer*innen angestellt sind, müssten die Tarifverträge vollständig refinanziert werden. Ansonsten drohe das Ende dieses Modells, das den Menschen mit Behinderungen größtmögliche Selbstbestimmung ermöglicht.
»Gleicher Lohn für gleiche Arbeit in der Persönlichen Assistenz«, steht auf den Plakaten, die Beschäftigte vor dem Amtssitz der Berliner Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) in die Höhe strecken. Der Referent der Senatorin, David Wienfort, nimmt die Tarifverträge entgegen, deren Refinanzierung die Demonstrierenden verlangen. Sie sollen den Persönlichen Assistent*innen dieselben Verbesserungen bringen, wie sie im öffentlichen Dienst und in den Assistenzbetrieben bereits umgesetzt sind. Um 200 Euro monatlich und weitere 5,5 Prozent sollen die Gehälter demnach erhöht werden. Hinzu kommt eine Prämie von insgesamt 3.000 Euro, die die extrem hohe Inflation der vergangenen Jahre abmildern soll. Der steuer- und abgabenfreie Bonus kann laut Gesetz nur noch bis zum Jahresende ausgezahlt werden. Die Zeit drängt also.
Doch Staatssekretär Aziz Borkut hat die von der Arbeitsgemeinschaft der Arbeitgeber*innen mit Persönlicher Assistenz (AAPA) beantragte Refinanzierung rundweg abgelehnt. Die Begründung: »Anders als im Vertragsrecht (…) gibt es im Arbeitgeber*innenmodell keine bundesrechtliche Verpflichtung im Sinne eines Automatismus, jegliche Tarifverträge stets als wirtschaftlich anzuerkennen.« Die AAPA hält dem – belegt durch ein Rechtsgutachten – entgegen, dass auch umgekehrt juristisch nichts dagegen spricht, die Tarifverträge als wirtschaftlich anzuerkennen und zu refinanzieren.
Das sei unbedingt nötig, um eine Ungleichbehandlung der Persönlichen Assistent*innen und damit eine Abwanderung in die Assistenzbetriebe zu verhindern. »Der Druck nimmt täglich zu, da unseren Mitgliedern wegen der beschriebenen Unsicherheiten zunehmend die Beschäftigten abhandenkommen«, heißt es in einem Schreiben des AAPA, in dem sich 170 Menschen mit Behinderungen zusammengeschlossen haben. »Die Zukunft der Persönlichen Assistenz im Arbeitgeber*innenmodell ist massiv in Frage gestellt.« Anders als bei Klient*innen von Assistenzbetrieben können Menschen mit Behinderungen in diesem Modell die Assistent*innen selbst auszusuchen, mit denen sie rund um die Uhr zusammen sind.
»Wir fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit«, stellt Bastian Beekes von der AAPA klar, die den Protest gemeinsam mit ver.di organisiert hat. »Wir fordern eine tatsächliche Umsetzung des Tarifvertrages – jetzt und in Zukunft –, eine dauerhafte Refinanzierung inklusive regelmäßiger Lohnerhöhungen, wie es zu Tarifverträgen gehört. Es ist ein kleine Schritt für eine Senatorin, aber ein großer Schritt für die Menschlichkeit.«
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