Refinanzierung muss her!

Seit einem halben Jahr warten die Beschäftigten Berliner Assistenzbetriebe auf ihre dringend benötigten Lohnsteigerungen. Protest bei Kostenträgern.
25.06.2024

Schon im Dezember 2023 haben ver.di und die Berliner Assistenzbetriebe Neue Lebenswege GmbH und ambulante Dienste e.V. einen Tarifvertrag abgeschlossen, mit dem die Entwicklung des Länder-Tarifvertrags nachvollzogen wird. Doch die Verhandlungen mit den Kostenträgern über die Refinanzierung der Vereinbarung ziehen sich hin, den Arbeitgebern liegt noch immer kein auskömmliches Angebot vor. Deshalb sind am 19. Juni 2024 rund 100 Persönliche Assistent*innen und Menschen mit Behinderungen – die rund um die Uhr auf Unterstützung angewiesen sind – gemeinsam auf die Straße gegangen.

 
Persönliche Assistent*innen und Menschen mit Behinderungen protestieren am 19. Juni 2024 in Berlin gemeinsam für die Refinanzierung des Tarifvertrags.

Lautstark ging es zu am Mittwoch vor der Geschäftsstelle der AOK-Nordost in Berlin, die die Verhandlungen für die Kostenträger führt. »Die Kundgebung ist ein starkes Zeichen und eine klare Botschaft: Die Kolleg*innen in der Persönlichen Assistenz wollen nicht schlechter gestellt werden – und sind bereit, sich für ihre Belange einzusetzen«, erklärt Michael Teumer, der bei ambulante Dienste e.V. arbeitet und sich in der gemeinsamen ver.di-Tarifkommission engagiert. Diese hatte vor einem halben Jahr mit beiden Unternehmen vereinbart, die Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro sowie die betriebliche Altersvorsorge aus dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) zu übernehmen. Doch die Verhandlungen zur Refinanzierung stocken seither.

»Tarifverträge sind zu finanzieren, das steht uns zu«, sagt Sophie Schmidt von der Neue Lebenswege GmbH. »Die Verhandlungen werden jedoch verschleppt, Termine werden abgesagt, Absprachen nicht eingehalten – so geht es nicht weiter.« Solche Probleme habe es bei dem erstmals 2020 geschlossenen Tarifvertrag nicht gegeben. »Dass wir damals den Tarifvertrag und darin die Entgeltgruppe 5 durchgesetzt haben, war eine wichtige Aufwertung unserer Arbeit«, betont die Persönliche Assistentin. Senat und Pflegekassen trugen dies ebenso mit wie die Übernahme der Verbesserungen aus dem TV-L während der Corona-Pandemie. Doch plötzlich ist alles anders. Die im Tarifvertrag vereinbarte betriebliche Altersvorsorge soll nicht bezahlt werden. Und auf die Einmalzahlung zur Abmilderung der Inflation warten die insgesamt gut 1.000 Beschäftigten nun schon seit Monaten.

 
Persönliche Assistent*innen machen Druck auf die AOK Nordost, die sich bei der Refinanzierung des Tarifvertrags bislang sperrt.

»Alles wird teurer«, gibt Michael Teumer zu bedenken. »In der Persönlichen Assistenz wird ohnehin niemand reich – wollen wir auch nicht. Aber auch wir müssen von unserer Arbeit leben können.« Das gelte auch fürs Alter. Seine Rentenprognose liege bei etwa 1.000 Euro, berichtet der Persönliche Assistent. »Da ist jeder zusätzliche Euro wichtig. Deshalb brauchen wir eine betriebliche Altersversorgung wie im öffentlichen Dienst, um Altersarmut zu verhindern.«

Die Beschäftigten der Assistenzbetriebe leisteten herausfordernde und wertvolle Arbeit, erklärt Sophie Schmidt, die ebenfalls in der ver.di-Tarifkommission aktiv ist. »Ohne uns müssten die schwer behinderten Menschen im Heim leben. Wir ermöglichen ihnen so viel Selbstbestimmung wie es geht. Das kann und muss Berlin, das können und müssen auch die Pflegekassen sich leisten.« Der Senat müsse sich endlich klar für die Tarifautonomie und die Gleichbehandlung der Beschäftigten freier Träger positionieren, fordert die Gewerkschafterin. »Ich hoffe, dass unser Protest wahrgenommen wird und zu Bewegung führt. Sonst stehen wir bald wieder vor der Tür.«


Ein Bericht von ver.di-TV zur Protestaktion kann hier angeschaut werden.

 

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