Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Wohnheim für Menschen mit geistiger Behinderung bei der Lebenshilfe Göppingen stand für Tatjana N. fest: »Ich will Heilerziehungspflegerin werden, so ein toller Beruf!« Viele wollten ihr den Plan ausreden. Sie sagten: »Da machst du dich nur kaputt.« Doch Tatjana N. hörte nicht auf sie. Noch gut erinnert sie sich an ihren ersten Tag in der Berufsschule. Alle freuten sich, dass die dreijährige Ausbildung endlich losgeht. Der Schulleiter begrüßte die Klasse mit den Worten: »Zum Schluss ist nur noch die Hälfte von euch da, wenn überhaupt.« Tatjana N. , damals 17 Jahre, war fassungslos, wie jemand so demotivierend sein kann. »Aber er hatte Recht.« Die Klasse startete mit 28 Auszubildenden, ihren Abschluss machten zwölf. »Alle anderen haben dem Druck nicht standgehalten«, sagt die Heilerziehungspflegerin.
Die Ausbildung war anspruchsvoll, gearbeitet wurde in drei Schichten. Ihre Praxisanleiterin gab sich sehr viel Mühe, aber Personal war immer knapp. Deshalb war Tatjana N. oft notgedrungen auf sich alleine gestellt. Sie beschwerte sich bei ihren Vorgesetzten: »So bringt das doch nichts, wenn wir uns alles selber beibringen müssen.« Als kurz darauf Betriebsratswahlen anstanden, drängten ihre Kolleginnen und Kollegen sie zu kandidieren. Erst zögerte die Auszubildende, ihr fehlte noch eine Prüfung – und überhaupt, wer kannte sie im Betrieb schon? Doch schnell ließ sie sich überzeugen. Immer nur zu schimpfen, davon hält sie prinzipiell nichts. »Lieber versuchen, es besser zu machen.« Mit Erfolg. So hat sie zum Beispiel nicht lockergelassen und dazu beigetragen, dass es für Azubis klare Regelungen gibt: Jetzt ist genau festgelegt, wann sie in welches Haus wechseln und wer ihre Ansprechpersonen sind. »Das ist wunderbar. Die Bedingungen werden von Jahr zu Jahr besser.« Außerdem hat sie mit dem Betriebsrat dafür gesorgt, dass die Dienstpläne besser geplant werden.
Kurz nach der Wahl in das Gremium trat Tatjana N. in ver.di ein und ging in der Tarifrunde für den Sozial- und Erziehungsdienst zum ersten Mal mit zu einer Streikaktion. Danach sei sie jedoch noch zum Spätdienst gegangen, sagt die Heilerziehungspflegerin. Sie habe damals das Gefühl gehabt, ihre Kolleg*innen und Bewohner*innen nicht im Stich lassen zu können. »Schnell habe ich verstanden, dass es andersrum ist.« Gerade für die Menschen mit Behinderung sei es wichtig, dass es »mehr von uns« gibt. Anfang nächsten Jahres steht die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst an, Tatjana N. ist Tarifbotschafterin und wird natürlich mitstreiken, wenn es darauf ankommt. Und sie motiviert ihre Kolleginnen und Kollegen, auch mitzumachen. »Wenn wir wollen, dass sich etwas verändert, müssen wir aktiv werden.«
TVöD: Los geht’s!
Unsere Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Die erste Verhandlungsrunde findet am 24. Januar 2025 statt. Die Tarifrunde ist von enormer Bedeutung für die rund 2,5 Beschäftigten im öffentlichen Dienst, aber auch für die vielen Beschäftigten bei freien Trägern, die sich am Tarifvertrag orientieren. ► zusammen-geht-mehr.verdi.de
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