Assistenz vor dem Aus

13.04.2023

Die Beschäftigten von CeBeeF in Frankfurt haben einst den bundesweit ersten Tarifvertrag bei einem Assistenzbetrieb erkämpft, jetzt wurden die Kolleg*innen aus der Schulassistenz gekündigt. Das Beispiel zeigt, was passiert, wenn kommerzielle Anbieter mit Profitinteressen in den Markt drängen.

 
Schreibenlernen

Die Beschäftigten des Sozialvereins CeBeeF – Club der Behinderten und ihrer Freunde – in Frankfurt am Main haben einst Erfolgsgeschichte geschrieben: Vor rund zehn Jahren erkämpften sie gemeinsam mit ver.di einen Tarifvertrag, bundesweit zum allerersten Mal überhaupt bei einem Assistenzbetrieb. Jetzt steht der CeBeeF Inklusion und Schule vor dem Aus. „Das macht es so besonders traurig“, sagt Betriebsrätin Gabriele Breder vom CeBeeF Inklusion und Schule. Die Gesellschaft soll zum Ende des Schuljahrs im Juli schließen.

Über 200 Beschäftigte erhielten die Kündigung. Das Beispiel zeige, dass kommerzielle Anbieter in der Teilhabeassistenz nichts zu suchen hätten. Außerdem sieht Gabriele Breder die Stadt in der Verantwortung: Sie dürfe Leistungen ausschließlich an Träger mit Tarifvertrag vergeben, betont die Betriebsrätin. „Es muss gelten: TVöD für alle!“

 

CeBeeF: Von der einst guten Idee zur Geldmacherei  

Hartnäckig hätten die Beschäftigten damals über Monate hinweg einen Tarifvertrag erstritten, berichtet die zuständige ver.di-Sekretärin Astrid Buchheim, die selbst lange beim CeBeeF gearbeitet hat. „Wir sind damals wie eine Rakete gestartet – und jetzt voll abgestürzt.“ Die Stadt versicherte, die Tariflöhne in voller Höhe zu refinanzieren. Doch die Geschäftsführung weigerte sich, die rund 17 Euro brutto pro Stunde für die Assistenzkräfte voll zu zahlen – und meldete kurz darauf Insolvenz an.

Nach langem Gezerre übernahm vor vier Jahren ein privater Investor aus Berlin den CeBeeF. „Jetzt geht es nur noch um Geldmacherei“, kritisiert Astrid Buchheim. „Mit einem sozialen Anspruch hat das gar nichts mehr zu tun.“ Der CeBeeF ist 1975 aus der "Krüppelbewegung", wie sie sich selbst nannte, hervorgegangen: Menschen mit Behinderung gründeten einen eigenen Verein, um ihre Assistenz selber organisieren zu können. „Jetzt ist es nur noch ein Geschäftsmodell“, sagt die Gewerkschafterin. Direkt nach der Übernahme spaltete der kommerzielle Träger – Pflegewerk Berlin – den Sozialverein in drei GmbHs auf: CeBeeF Inklusion und Schule (CIS), CeBeeF Assistenz & Pflege (CAP) und CeBeeF Verwaltungsgesellschaft. „Das ist der eigentliche Skandal“, findet Astrid Buchheim.

 

Keine Lohnerhöhung, Tariflohnflucht und Druck auf die Beschäftigten

Der erkämpfte Tarifvertrag galt nur noch für die Beschäftigten von CeBeeF Inklusion und Schule sowie all jene mit alten Arbeitsverträgen. Allerdings wurde er nie voll angewendet, kritisiert Gabriele Breder, seit Jahren erfolgte keine Lohnerhöhung mehr. Zudem gründete der private Anbieter die neuen Gesellschaften Teamwerk und CebeeFHessen. In beiden Betrieben gibt es weder Betriebsrat noch Tariflohn. Neue Beschäftigte der Schulassistenz seien nur noch dort zu deutlich schlechteren Konditionen eingestellt worden, berichtet die Betriebsrätin.

„Wir haben immer Konkurrenz aus dem eigenen Haus bekommen“, sagt Gabriele Breder. Sie kritisiert, dass die neuen Besitzer Etikettenschwindel betrieben: Nach außen täten sie so, als führten sie die Werte des CeBeeF fort. „Nichts ist ferner von der Realität“, betont die Betriebsrätin. Zuletzt seien die Beschäftigten vor die Wahl gestellt worden: Entweder sie verzichten auf viel Geld – oder ihr Betrieb schließt. Jetzt erfolgten die Kündigungen.

 

Schnelle Lösung für 200 Beschäftigte und betreute Kinder gesucht

Die rund 200 Beschäftigten der CeBeeF Inklusion und Schule hoffen, dass sie zusammen mit ihren Betreuungskindern von einem anderen Träger übernommen werden. „Wir brauchen eine Gesamtlösung für alle“, betont Astrid Buchheim vom ver.di. Voraussetzung ist, dass der Träger sowohl über einen Betriebsrat als auch Tarifvertrag verfügt. Gabriele Breder findet schlimm, dass die Schulassistenz immer mehr zu einem Geschäftsmodell verkommt.

Idealerweise sollte die Stadt den Betrieb in städtische Trägerschaft übernehmen, findet die Betriebsrätin. Schließlich handele es sich um öffentliche Daseinsvorsorge. „Hier darf es nicht um Profite gehen, sondern die Kinder müssen im Mittelpunkt stehen“, betont Gabriele Breder. Die Stadt sollte wenigstens dafür Sorge tragen, Leistungen nur an tarifgebundene Träger zu vergeben – und so Lohndumping verhindern.

Veröffentlicht am 13.04.2023

 

Kontakt