Es ist viel Arbeit, aber sie lohnt sich. Vor mehr als einem halben Jahr haben ver.di-Aktive am Heilpädagogischen Centrum (HPC) Kladow angefangen, sich zusammenzuschließen. Seitdem machen sie mit vielen Aktionen auf sich aufmerksam und haben erreicht, dass der Arbeitgeber Vitanas mit ihnen über einen Tarifvertrag verhandelt. Eine Aktive berichtet, wie sie dahingekommen sind. Das HPC Kladow ist eine Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen mit 120 Beschäftigten.
Sandra, du bist ver.di-Aktive und Mitglied der Tarifkommission beim HPC Kladow. Wieso bist du aktiv geworden?
ver.di hat bei uns im Haus angefangen, Kolleg*innen anzusprechen und zu organisieren. Ich habe dann an einem Online-Treffen teilgenommen und ab da war ich relativ schnell dabei. Ich war davon beeindruckt, was die anderen Kolleg*innen schon an Aktionen geplant hatten, und mir ist klar geworden: Wir brauchen mehr Aktive, um die Pläne in die Tat umzusetzen.
Seitdem bin ich regelmäßig dabei und es macht mir Spaß. Wir haben viel mit den Kolleg*innen diskutiert und es sind seit Mitte letzten Jahres etwa 40 Kolleg*innen neu bei ver.di eingetreten. Dass wir uns so stark organisiert haben, ist für uns mit insgesamt 120 Beschäftigten ein großer Erfolg. Die ersten Kontakte zu ver.di waren super nett und inzwischen sind wir eine coole Truppe. Wir sind jetzt etwa 7 bis 10 Leute in der aktiven Gruppe und arbeiten Hand in Hand. Wir haben schließlich alle dasselbe Ziel.
Und welches Ziel ist das?
Ganz klar in erster Linie einen neuen Tarifvertrag. Unser bisheriger gilt nicht mehr und ist älter als viele Kolleg*innen im Betrieb arbeiten, nämlich von 2003. Die darin vereinbarten Regelungen sind völlig veraltet, gerade die Entgelte. Außerdem fehlt uns die Wertschätzung. Wir haben während der Corona-Pandemie mit weniger Personal mehr geleistet. Gleichzeitig musste bei uns der Betriebsrat sehr darum kämpfen, dass wir die Corona-Prämie bekommen – im Gegensatz zu den Altenpflegeeinrichtungen von Vitanas. Dadurch fühlen wir uns benachteiligt.
Wir wollen aber auch eine Entlastung für die Mehrarbeit, die wir derzeit machen. Denn einige Kolleg*innen sind während oder nach der Pandemie ausgestiegen. Das heißt, wir arbeiten seit fast zwei Jahren in permanenter Unterbesetzung. Unsere Hoffnung ist, dass wir mit einem Tarifvertrag, der besser ist als der alte, wieder mehr Personal bekommen.
Was macht ihr, um dafür zu kämpfen, welche Aktionen organisiert ihr?
Also erst einmal haben wir regelmäßige Treffen, in Präsenz und online wegen des Schichtdienstes. Da planen wir Aktivitäten wie die aktive Mittagspause. Die erste war im November, kürzlich hatten wir wieder eine. Wir informieren aber auch die anderen im Betrieb über den aktuellen Stand, organisieren, wer Kuchen backen kann oder bei unseren Aktionen Fotos macht.
Ein Mal waren wir auch in Berlin bei einer Demo dabei und haben dafür Plakate entworfen. Wir wollten zeigen, dass wir mit den anderen Kolleg*innen solidarisch sind, und natürlich auch uns. Wir wollten, dass der Arbeitgeber merkt, „da kommt jetzt was, die machen sich bereit“. Zuletzt haben wir bei den Special Olympics in Berlin am Olympia-Stadion auf uns aufmerksam gemacht.
Wir hatten auch vor Kurzem ein Sommerfest in der Einrichtung. Da haben wir beim Nachbarn ein Transparent aufgehängt, auf dem stand, dass wir mehr Personal, mehr Gehalt und mehr Wertschätzung fordern. Da war der Arbeitgeber natürlich nicht so begeistert, aber konnte es auch nicht abhängen. Und es war gut, dass auch die Angehörigen unserer Bewohner*innen sehen, da passiert etwas.
Gerade planen wir noch eine Postkarten-Aktion und überlegen, wo wir die überall abgeben können.
Das sind viele Sachen, die andere sehen. Wie sprecht ihr die Kolleg*innen denn in der Einrichtung an?
Wir haben zum Beispiel eine Umfrage gemacht, um zu schauen, was sie wollen. Am 10. März gab es eine Mitgliederversammlung, bei der fast alle Mitglieder anwesend waren. Da haben wir die Tarifkommission gewählt. Mehr als 80 Beschäftigte haben sich dann an der Forderungsdiskussion beteiligt und danach haben wir Ende April einen Forderungskatalog aufgestellt, und zwar mit möglichst allen Kolleg*innen, nicht nur den aktiven. Wir wollen den TVöD. Anfang Mai haben wir den Arbeitgeber, also Vitanas, dann zu Verhandlungen aufgefordert und zwei Mitglieder der Tarifkommission haben sich mit ihm getroffen. Wir hatten also Anfang Juni unsere erste Tarifverhandlung.
Es passieren aber auch ganz viele Sachen im Hintergrund. Wir sprechen viel mit den Kolleg*innen, werben im Haus dafür, bei uns mitzumachen. Das alles zieht sich schon ziemlich lange und daher ist es wichtig, immer wieder zu informieren.
Ich habe das Gefühl, jeden Tag passiert etwas Neues.
Das ist ja viel Arbeit. Siehst du denn das, was ihr bisher erreicht habt, als Erfolg an?
Ja. Wir sind erfolgreich, weil wir den Arbeitgeber jetzt am Verhandlungstisch haben. Wir waren uns am Anfang nicht sicher, ob wir das wirklich schaffen. Denn es stimmt, es gehört eine Menge Arbeit dazu, auch Durchsetzungskraft und Durchhaltevermögen. Ich bin aber optimistisch, auch wenn die erste Verhandlung enttäuschend war. Der Arbeitgeber hat uns einen Mantel-TV vorgelegt, der praktisch nichts verbessern und einige der jetzigen Bedingungen sogar verschlechtern würde. Und zum Entgelt gab es erst mal gar kein Angebot! Deshalb sind wir der Meinung: Jetzt erst recht! Wir werden das durchziehen, bis zum bitteren Ende. Der Arbeitgeber kann uns nicht komplett im Regen stehen lassen, sonst sind die paar jetzigen Mitarbeiter*innen auch noch weg.
Das Heilpädagogische Centrum Kladow, kurz HPC, in Berlin ist eine Einrichtung der Eingliederungshilfe. Die 120 Beschäftigten pflegen und fördern etwa 110 Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung in ihrem Wohnumfeld. Die Mitarbeiter*innen der Reinigung und der Technik sind Teil des Hauses.
Die dortigen Verhandlungen folgen einer Reihe von Haustarifverträgen, die ver.di bereits an anderen Orten durchgesetzt hat, etwa in Uckermünde, Riesa und Bautzen. Das HPC Kladow gehört zur Vitanas GmbH & Co. KGaA. Daran beteiligt ist der Private-Equity-Fonds Oaktree in Kalifornien. Er hat nach eigenen Angaben zum Ziel „außergewöhnliche Investment-Ergebnisse zu liefern“.
Hast du für andere Kolleg*innen einen Tipp, wenn Sie bei sich im Betrieb etwas durchsetzen wollen?
Wichtig ist, dass man Leute findet, die einschätzen können, wie viel Arbeit das wirklich macht. Das ist nicht in einer Stunde in der Woche erledigt. Außerdem helfen enge Absprache. Alle müssen am Anfang miteinander klären: Wollen wir in die gleiche Richtung? Und wenn es hart auf hart kommt, ziehen dann alle mit? Die Tarifkommission braucht die Leute hinter sich, um etwas zu erreichen.
Trotzdem würde ich es jedem empfehlen, sich einzusetzen und nicht einfach zu arbeiten, zu arbeiten, zu arbeiten und gegenüber dem Arbeitgeber nichts zu fordern. Unsere Bereiche haben in den letzten Jahren extrem viel geleistet und wir verdienen die Wertschätzung, dass das auch anerkannt wird. Man muss den Mut haben zu sagen, „jetzt reicht es, wir müssen uns nicht auszunutzen lassen“.
Wie denkst du, geht es jetzt weiter?
Wir erwarten keine Wunder, aber wir haben den Arbeitgeber am Verhandlungstisch und so schnell kommt der da jetzt auch nicht weg.
Dann wünsche ich euch viel Erfolg und weiterhin gutes Durchhalten.
Interview: Birte Knäpper
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
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