Behindertenhilfe: Gewalt gegen Beschäftigte

    Gewalt in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen - Auswirkungen auf Beschäftigte
    04.05.2023

    Positionspapier der BFK Behindertenhilfe, Teilhabe- und Inklusionsdienste

    Wir arbeiten mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderungen z.B. in Wohngruppen, der eigenen Wohnung, Werkstätten, Tagesförderstätten, Schulen oder Kitas. In unseren Arbeitsstätten erfahren Beschäftigte häufig körperliche oder psychische Übergriffe. Auch wissenschaftliche Studien kommen zu diesem Ergebnis: So haben laut einer Befragung der TU Darmstadt die Mehrheit der Beschäftigten in der Behindertenhilfe bereits körperliche Übergriffe gegen sich selbst erlebt. Zudem sind täglich zehn Prozent der Beschäftigten Beschimpfungen ausgesetzt (s. Kasten). Solche Übergriffe erfahren wir nicht nur als Opfer, sondern wir erleben diese auch als Zeug*innen mit. Auch dies kann mental belastend sein, weil es Gefühle von Ohnmacht hervorruft, wenn wir uns nicht in der Lage fühlen, unsere Klient*innen oder auch Kolleg*innen schützen zu können.

     
    Positionspapier: Gewalt in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung
    © ver.di
    Positionspapier: Gewalt in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung

    Die Reichweite von physischen und psychischen Übergriffen ist enorm. Es kann sich dabei um Zwicken, Beißen oder Beschimpfungen handeln, bis hin zu schweren körperlichen Verletzungen oder sexuellen Übergriffen. Von Gewalt sprechen wir dann, wenn es zu einer Schädigung kommt oder darauf abgezielt wird, unabhängig davon ob physisch oder psychisch. Dabei beziehen wir uns auf die Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO): „Im Sinne dieses Übereinkommens bezieht sich der Begriff Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt auf eine Bandbreite von inakzeptablen Verhaltensweisen und Praktiken oder deren Androhung, gleich ob es sich um ein einmaliges oder ein wiederholtes Vorkommnis handelt, die auf physischen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden abzielen, diesen zur Folge haben oder wahrscheinlich zur Folge haben, und umfasst auch geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung“ (Übereinkommen 190, Artikel 1).

    Wir reagieren auf Gewalt sehr unterschiedlich, zum Teil mit Angst und Selbstzweifel, Hilflosigkeit, Traurigkeit, aber auch mit Ärger und Wut. Die Erfahrungen wirken sich oftmals auf unsere Arbeit aus; Spaß und Freude nehmen ab, das Verhältnis zu den Klient*innen wird unsicherer oder auch distanzierter. Die Folge können seelische und körperliche Verletzungen und somit eine hohe Belastung bis hin zur Arbeitsunfähigkeit sein. Entsprechend stellt auch die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) fest, dass gewalttätige Übergriffe und sexuelle Belästigungen in der Behindertenhilfe die Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigen. Dies treffe nicht nur auf körperliche Übergriffe zu, sondern auch nonverbale und verbale Gewalt seien nicht zu unterschätzen und sollten laut BGW ernst genommen werden. Auch sie seien gesundheitsrelevant und könnten dazu führen, dass Beschäftigte eine Kündigung in Erwägung ziehen (BGW-Studie 2021 Behindertenhilfe).

    Oftmals arbeiten wir mit Menschen, die Unterstützung dabei brauchen, sich zu beruhigen und die eigenen Gefühle zu kontrollieren. Hinzu kommen Ursachen wie eine gestörte Impulskontrolle oder wie z.B. bei Autismus Ausbrüche in Folge von Reizüberflutungen. Auch ist zu berücksichtigen, dass unsere Klient*innen deutlich mehr Zwängen unterworfen sind und in der Regel über nur eingeschränkte Wahlmöglichkeiten verfügen, sei es nun bei der Wahl des Arbeitsplatzes oder der Mitbewohner*innen. Auch dies führt zu Frustrationen, erhöht soziale Spannungen und kann Übergriffe begünstigen. Und nicht zuletzt gilt es zu berücksichtigen, dass Menschen mit Behinderungen oftmals selbst Opfer von Gewalt sind und Traumatisierungen erfahren haben. Dies sind wichtige Aspekte, wenn es bei unserer Arbeit um die Vermeidung von Gewalt geht. Allzu oft akzeptieren wir jedoch solche Übergriffe als Normalzustand unserer Arbeit, ohne zu hinterfragen, ob und wie dies zu vermeiden gewesen wäre oder fühlen uns selbst schuldig.

    Aus Sicht von ver.di muss es Ziel sein, Bedingungen zu schaffen, die Gefährdungen vermeiden.

    Im Folgenden möchten wir die strukturellen Ursachen von Gewalt in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen aufzeigen und ausführen, wie diesen Ursachen von Seiten der Arbeitgeber und der Politik entgegengewirkt werden kann. Denn jede Person hat das Recht auf einen gewaltfreien Arbeitsplatz.

    Hier gelangt ihr zum Positionspapier.

     

    Kontakt

    • Sarah Bormann

      Be­hin­der­ten­hil­fe, Teil­ha­be- und In­klu­si­ons­diens­te

      030/6956-1843