#IchBinHanna: Nicht nur an Hochschulen, auch an Forschungsinstituten gehören befristete Verträge und unsichere Zukunftsperspektiven zum Alltag. In einer Stellungnahme fordern die Personal- und Betriebsräte der Leibniz-Gemeinschaft klare Regeln gegen prekäre Arbeitsbedingungen. Sie vertreten rund 20.000 Beschäftigte.
Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hangeln sich von Vertrag zu Vertrag, bangen um ihre Zukunft: Die Personal- und Betriebsräte der außeruniversitären Forschungsinstitute beklagten die Probleme bereits seit vielen Jahren, heißt es in der Stellungnahme. „Wir wollen die Dynamik von #IchBinHanna nutzen“, betont der Sprecher der Personal- und Betriebsräte der Leibniz-Gemeinschaft, Bernd Bibra. „Jetzt haben wir wirklich die Chance, etwas zu verändern.“ Noch nie zuvor sei in der Öffentlichkeit so offen über die Auswirkungen prekärer Beschäftigungsverhältnisse diskutiert worden. „Niemand kann sich vor dem Problem noch wegducken“, ist der Sprecher der ver.di-Bundefachkommission Forschung überzeugt.
In ihrer Stellungnahme kritisieren die Personalvertretungen, dass das Wissenschaftssystem mehr und mehr aus der Balance gerate. Der Erfolgs- und Konkurrenzdruck fördere weder einen teamorientierten Austausch noch Innovationen. Im Gegenteil. Die kurzen Vertragslaufzeiten gingen zulasten der Forschung: Sie führten zu einem Verlust von Wissen, Produktivität und Qualität der wissenschaftlichen Arbeit würden stark beeinträchtigt. Mit „großer Sorge“ beobachteten die Betriebs- und Personalräte die Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Kolleg*innen, heißt es in dem Papier weiter. Zudem führe die gängige Befristungspraxis vielfach zu Abhängigkeiten und Machtmissbrauch. Als Folge verließen „viele brillante Wissenschaftler*innen“ das deutsche Wissenschaftssystem.
Die öffentliche Debatte über prekäre Arbeitsbedingungen in Forschung und Wissenschaft habe bereits viel bewirkt, meint Bernd Bibra. „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um wirklich Veränderungen durchzusetzen.“ Das Positionspapier der Betriebs- und Personalräte richtet Forderungen sowohl an die Bundesregierung als Gesetzgeber als auch an Bund und Länder als Geldgeber, an Drittmittelgeber, Leibniz-Gemeinschaft sowie die einzelnen Institute. Die Personalvertretungen fordern auf mehreren Ebenen verbindliche Regelungen. „Da muss viel mehr passieren, als nur an einer Stelle zu bohren“, so Bernd Bibra.
So hätten beispielsweise Arbeitsgruppen der Leibniz-Gemeinschaft längst tolle Empfehlungen ausgearbeitet, ob zu Vertragslaufzeiten in Drittmittelprojekten oder Befristungen. „Das klingt auch alles prima“, findet der Gewerkschafter. „Doch die Empfehlungen werden weder kontrolliert noch sanktioniert.“ Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 95 selbstständige Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland, mit insgesamt rund 20.000 Beschäftigten. Einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zufolge waren 2020 rund 78 Prozent der Wissenschaftler*innen befristet beschäftigt. „Die schönen Worte verschwinden im Regal“, meint der Sprecher. „Deshalb brauchen wir regelmäßige Evaluationen und Sanktionsmöglichkeiten, bis hin zur Kürzung von Mitteln.“
Doch fest steht: „Alleine können wir keine Veränderungen durchsetzen“, sagt Bernd Bibra. „Dafür müssen wir uns zusammenschließen, in die Gewerkschaft eintreten. Wir dürfen jetzt nicht locker lassen.“
veröffentlicht am 28. Januar 2022
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