Unbefristete Beschäftigung muss auch an Hochschulen und Forschungseinrichtungen wieder die Regel werden. Befristete Arbeitsverträge darf es nur mit gutem Grund geben – dies muss für Wissenschaftler*innen genauso gelten wie in Verwaltung, Technik und Service.
Gemeinsame Resolution der Bundesarbeitsgruppen Hochschulen und Forschung in ver.di
Der Frust der Beschäftigten über Kurz- und Kettenverträge wächst seit Jahren. In diesem Sommer haben Tausende Wissenschaftler*innen ihrer Wut auf Twitter Luft gemacht. Insbesondere diejenigen, die keine finanziellen Reserven haben, Verantwortung für eine Familie übernehmen oder deren Aufenthaltsrecht an ihrem Arbeitsvertrag hängt, können sich die ständige Unsicherheit nicht leisten. Immer wieder verlassen uns Kolleg*innen, weil sie anderswo attraktivere Arbeitsbedingungen vorfinden. Ob Wissenschaftler*innen ins Ausland wechseln, IT-Fachkräfte in die Privatwirtschaft oder Verwaltungskräfte in öffentliche Behörden: Sie alle hinterlassen schmerzhafte Lücken.
Wir brauchen endlich faire Perspektiven und planbare Berufswege an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Dazu gehören auch professionelle Prozesse von Personalplanung und -entwicklung unter Beteiligung der Personal- und Betriebsräte.
Unbefristete Stellen müssen die Regel und nicht die Ausnahme sein. Kleine Korrekturen am Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) reichen deshalb nicht aus, stattdessen muss das Sonderbefristungsrecht für die Wissenschaft insgesamt auf den Prüfstand.
Für Promovierende brauchen wir einen definierten Mindestumfang der Stellen sowie verbindliche Mindestlaufzeiten, in denen Doktorarbeiten in der Regel tatsächlich abgeschlossen werden. Promovierte Wissenschaftler*innen haben eine berechenbare Perspektive verdient: Mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag oder mindestens einer verbindlichen Entfristungsvereinbarung.
Es muss möglich sein, in einem Tarifvertrag die Beschränkung von befristeten Arbeitsverträgen auf ein nachvollziehbares Maß vorzunehmen. Die Tarifsperre im WissZeitVG nimmt wissenschaftlich Beschäftigten das zentrale Grundrecht, sich zur Gestaltung eines prägenden Aspekts ihrer Arbeitsbedingungen zusammenzuschließen und ihn durch tarifvertragliche Vereinbarungen zu verbessern. Das ist nicht zu akzeptieren.
Fast ein Viertel der Beschäftigten in Verwaltung, Technik und Service hat nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Hochschulen und Forschungseinrichtungen nutzen sachgrundlose Befristungen ausufernd. Beschäftigten ohne sachlichen Grund planbare Berufswege vorzuenthalten ist nicht fair.
Die Möglichkeit sachgrundloser Befristungen muss deshalb aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz gestrichen werden.
Auch Finanzierungsmodelle von Hochschulen und Forschungseinrichtungen leisten Befristungen massiv Vorschub. Sie müssen im Sinne guter Arbeit neu strukturiert werden.
Besonders wichtig für verlässliche Beschäftigungsverhältnisse ist eine Stärkung der Grundfinanzierung an den Hochschulen. Gleichzeitig darf es keine Hürden geben, auch Projekte mit fest angestelltem Personal durchzuführen. Im Gegenteil: Wo Bund und Länder als Mittelgeber selbst Einfluss auf die Gestaltung von Arbeitsbedingungen haben, müssen sie verlässliche Beschäftigungsverhältnisse fördern und die Finanzierung an die Einhaltung von Mindeststandards koppeln.
Zu einer Gesamtstrategie für attraktive Berufswege in der Wissenschaft gehören außerdem Verbesserungen bei der Eingruppierung. Solange sich die Regeln für die Anerkennung von Berufserfahrung bei der Eingruppierung an linearen und kontinuierlichen Berufswegen orientieren, werden Beschäftigte in der Wissenschaft mit ihren häufigen Arbeitgeberwechseln, Unterbrechungen sowie Phasen mit Stipendien systematisch benachteiligt.
Hier müssen Hochschulen und Forschungseinrichtungen die bestehenden Möglichkeiten des Tarifrechts deutlich stärker nutzen, und Bund und Länder müssen in ihrer Rolle als Tarifpartner den Weg für eine Weiterentwicklung der Tarifverträge freimachen.
veröffentlicht am 22. September 2021
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