»Vertrag zunutze machen«

26.05.2022

Viel hat der Vertrag über gute Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen in NRW bislang nicht verbessert. Trotzdem halten Personalräte die Idee grundsätzlich für begrüßenswert.

Interview mit Julia Schmidt, Mitarbeiterin in der Zentralen Studienberatung, Vorsitzende des Personalrats der Mitarbeiter*innen in Technik und Verwaltung der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsmitglied der Landespersonalrätekonferenz NRW, sowie mit Gabi Schulte, Verwaltungsbeamtin und langjährige Vorsitzende des Personalrats der Universität Duisburg-Essen sowie ehrenamtliche ver.di-Landesfachbereichsvorsitzende in NRW, seit Sommer 2021 in Ruhestand.

 
Julia Schmidt ruft während der Tarifrunde der Länder im Herbst 2021 die 400 Sekretariatsbeschäftigten der Ruhr-Universität Bochum zum Streik auf

Nordrhein-Westfalen gehörte 2016 zu den ersten Bundesländern, die mit den Hochschulen einen Vertrag über gute Beschäftigungsverhältnisse für geschlossen haben. Ziel waren konkrete Verbesserungen für die Beschäftigten. Jetzt wurde ein offizieller Evaluationsbericht veröffentlicht. Wie fällt eure Bilanz aus Sicht der Personalräte aus?

Julia: De facto ist der Vertrag eine schöne Absichtserklärung, viel mehr aber auch nicht. Es gibt keinerlei Kontrolle, ob die Vereinbarungen eingehalten werden. Und selbst wenn, passiert auch nichts. Doch bei aller Kritik halte ich die Idee grundsätzlich für begrüßenswert. Nur die Umsetzung ist – gelinde gesagt – suboptimal.

Gabi: Ja, die Formulierungen sind butterweich. In dem Vertrag steht viel »könnte« und »sollte« – und es fehlen verbindliche Vorgaben. Das große Problem ist, dass es keinerlei Sanktionsmöglichkeiten gibt. Trotzdem bin ich der Meinung, dass sich der Kampf dafür lohnen kann. Gut wäre, die Vergabe finanzieller Mittel an die Einhaltung zu koppeln. Dann kann so ein Vertrag durchaus Sinn machen.

Julia: Das sehe ich genauso. Die Hochschulen erhalten neben ihrem Grundbudget sogenannte leistungsorientierte Mittel. Diese Gelder sind an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, etwa die Zahlen von Absolvent*innen oder Doktorand*innen. Zur Bedingung müsste gemacht werden, dass die Grundsätze für gute Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Wenn es ums Geld geht, reagieren die Hochschulleitungen.

Wie stehen die Chancen, dass sich die Hochschulleitungen darauf einlassen?

Gabi: Wir konnten so etwas damals nicht durchsetzen. Aber dazu muss man auch sehen, wie der Vertrag bei uns in NRW zustande gekommen ist: Die frühere Landesregierung aus CDU und FDP hatte die Hochschulen 2007 aus dem Landesdienst rausgeschmissen. Damit sind sie keine staatlichen Einrichtungen mehr, sondern Körperschaften öffentlichen Rechts. Nach dem Regierungswechsel wollte die rot-grüne Landesregierung etwas mehr Steuerung zurückzugewinnen. Zwei Jahre lang bemühte sie sich um diesen Vertrag. Wir haben gefordert, bestimmte Eckpunkte als verbindlich zu erklären. Doch die Arbeitgeber sind stur geblieben. Aber das kann in anderen Bundesländern unter anderen Voraussetzungen anders aussehen. Sind die Hochschulen dort Landesbehörden, gibt es ganz andere Möglichkeiten.

Der Evaluationsbericht zeigt, dass an den Universitäten der Anteil befristeter Verträge beim wissenschaftlichen Personal von 2015 bis 2020 gerade mal von 11 auf 13 Prozent gestiegen ist. Wo trägt der Vertrag vor allem zu positiven Veränderungen bei?

Gabi: Die Rahmenvereinbarung verpflichtet beide Parteien, im Gespräch über gute Beschäftigungsverhältnisse zu bleiben. Ob es um den Abbau von Befristungen, bessere Arbeitsbedingungen oder Verbesserungen beim Gesundheitsschutz geht: Der Arbeitgeber muss sich damit auseinandersetzen. Der Vertrag bietet eine gute Gesprächsgrundlage. Dabei kommt es darauf an, dass die Personalräte damit arbeiten.

Julia: Ja, Personalräte können den Vertrag so einsetzen, dass er einen Mehrwert bringt. Wir nutzen die Vereinbarung an der Ruhr-Uni Bochum oft als Verhandlungsbasis. Dabei weisen wir bei vielen unserer Forderungen darauf hin, dass die Hochschulleitung diesen Punkt ja selbst im Vertrag unterschrieben hat. Zum Beispiel steht darin, dass besonders zu prüfen ist, ob bei Beschäftigten, die von anderen Hochschulen wechseln, auf die Probezeit verzichtet werden kann. So einen Passus machen wir uns in den Gesprächen zunutze.

Wo habt ihr so konkret etwas durchsetzen können?

Julia: Wir haben als Personalrat beispielsweise erreicht, dass in der Verwaltung keine Jobs mehr auf Stundenbasis für studentische Beschäftigte ausgeschrieben werden. Sondern es handelt sich jetzt um ganz normale TV-L-Stellen, auf die sich auch Studierende gerne bewerben können. Aber dann werden sie auch ordentlich nach Tarifvertrag bezahlt und entsprechend der übertragenen Tätigkeiten eingruppiert. Grundlage dafür war der Vertrag über gute Beschäftigungsverhältnisse.

veröffentlicht/aktualisiert am 26. Mai 2022

 

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