»Es ist was in Bewegung«

Schluss mit Frust: Die wissenschaftsunterstützenden Beschäftigten machen bewusst, dass sie die Hochschulen am Laufen halten - und mehr Respekt verdienen.
17.12.2024

Ohne sie läuft an Hochschulen nichts. Ob in der Verwaltung, in Bibliotheken, Rechenzentren, Werkstätten, Laboren, Technik oder Sekretariaten: All diese Kolleginnen und Kollegen machen Forschung und Lehre überhaupt erst möglich. Doch was sie tagtäglich leisten, bleibt häufig unsichtbar. Wie groß der Frust bei vielen Beschäftigten ist, zeigt ein aktuelles Forschungsprojekt der Technischen Universität Berlin. »Sie haben den Eindruck, dass ihre Leistungen meist nur bei Fehlern auffallen und ihnen sonst Desinteresse entgegengebracht wird«, heißt es in der Studie »…wir halten die Uni am Laufen«, die von der Hans-Böckler-Stiftung, vom DGB und von ver.di unterstützt wurde. Höchste Zeit, dass sich daran etwas ändert. Dazu sollen unter anderem ein Podcast und mehrere Workshops beitragen.

 
In der letzten Tarifrunde sind am Hochschulaktionstag bundesweit tausende Beschäftigte auf die Straße gegangen, zum Beispiel hier in Leipzig

Besonders auffällig ist, dass viele Beschäftigte des wissenschaftsunterstützenden Personals den Wert der eigenen Arbeit als sehr gering bewerten. Etwa die Hälfte schätzt ihre Tätigkeit als gesellschaftlich wenig bedeutsam ein, über ein Viertel sieht ihre Leistungen als kaum relevant für ihre Hochschule an. Das sind im Vergleich zu anderen Branchen sehr hohe Werte. »Dieses Ergebnis ist dramatisch«, sagt Studienautor Ulf Banscherus, Sozialwissenschaftler und Leiter der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt an der TU Berlin, »und ein deutliches Alarmsignal.“ Viele Beschäftigte nähmen ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten als sehr begrenzt wahr, weil sie immer nur die zweite Geige spielten.

Nicht nach ihrer Meinung gefragt

»Objektiv stimmt es ja gar nicht«, sagt der Personalrat André Bödecker von der Uni Bremen. Doch viele Führungskräfte vermittelten ihnen diesen Eindruck. Natürlich gebe es große Unterschiede, fügt er hinzu, doch einige Führungskräfte seien wirklich eine Katastrophe. »Sie spielen sich auf als wären sie die Fürsten.« Dadurch würden die Beschäftigten total demotiviert. Dazu trägt oft auch die mangelnde Beteiligung bei. Häufig werde das wissenschaftsunterstützende Personal von Entscheidungen ausgeschlossen. »Ihnen werden nur die Ergebnisse vorgesetzt, die sie dann umsetzen sollen«, kritisiert André Bödecker. Wenn zum Beispiel eine neue Röntgenanlage fürs Labor gekauft werden soll, würden die Technikleute vorher oft gar nicht nach ihrer Meinung gefragt. Zu den Sitzungen würden sie gar nicht eingeladen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entschieden alleine im stillen Kämmerlein. »Das führt dazu, dass sich die Leute extrem unwichtig fühlen.«

Der Studie zufolge schätzen viele Beschäftigte das Verhalten ihrer akademischen Vorgesetzten als problematisch ein. Diese verstünden administrative Prozesse oft nicht und wollten Entscheidungen eigenmächtig treffen.

Oft nur im Befehlston gesprochen

Die ver.di-Vertrauensfrau Petra Ducci-Eiklenborg von der Jade-Hochschule Wilhelmshaven betont die hohen Erwartungen an das wissenschaftsunterstützende Personal. Während der Corona-Pandemie hätten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel in Windeseile eine Infrastruktur für die Onlinelehre auf die Beine gestellt. »Doch oft wird nur im Befehlston mit ihnen gesprochen«, sagt sie. »Das stößt ihnen negativ auf.« Generell fehle es häufig an einem respektvollen Umgang. Führungskräfte würden vor allem nach ihrer fachlichen Qualifikation eingestellt, weniger nach ihren Führungskompetenzen. »Da muss wirklich dringend was passieren.« Führungskräfte dürften nicht nur Befehle erteilen, sondern müssten vermitteln: Eure Arbeit ist wertvoll.

Sehr zu schaffen macht den Beschäftigten der Studie zufolge zudem die starke Verdichtung der Arbeit sowie die hohe individuelle Belastung. Bis zu ein Drittel gibt an, stark oder sehr stark belastet zu sein. Hinzu kommt eine große Unzufriedenheit mit dem Einkommen. Mehr als die Hälfte des wissenschaftsunterstützenden Personals ist unterhalb der Entgeltgruppe 9 eingruppiert.

 

»Führungskräfte werden vor allem nach ihrer fachlichen Qualifikation eingestellt, weniger nach ihren Führungskompetenzen. Da muss wirklich dringend was passieren.«

ver.di-Vertrauensfrau Petra Ducci-Eiklenborg von der Jade-Hochschule Wilhelmshaven

Der Personalrat André Bödecker von der Uni Bremen sagt, dass die Bezahlung häufig nicht mehr zeitgemäß sei. Er verweist darauf, dass sich die Arbeitswelt extrem gewandelt hat – und damit auch die Anforderungen. Angestellte in den Sekretariaten zum Beispiel verwalten Drittmittelprojekte in Millionenhöhe und arbeiten mit komplexen Softwareprogrammen. Und die Kollegen der Gebäudetechnik sind für die Steuerung der gesamten Klima- und Energietechnik zuständig. Aktuell sei die Stelle der Gebäudeleittechnik an der Uni Bremen zum achten Mal ausgeschrieben, berichtet André Bödecker. »Es gibt nur ganz wenige Bewerbungen.« Kein Wunder: In der Industrie könnten die Fachleute monatlich locker 1.000 Euro mehr verdienen. Auch in anderen Bereichen wie Sekretariaten, IT und Verwaltung würden sie nicht mit Bewerbungen überhäuft. Die Tätigkeitsprofile würden zum Teil bewusst so formuliert, dass die Beschäftigten niedrig eingruppiert werden, berichtet der Personalrat. »Und hinterher beschwert sich die Uni, dass sich keine Leute finden.«

»Oh, es ist gar nicht nur bei uns so schlimm!?«

Die gute Nachricht: »Es tut sich was«, sagt Studienautor Ulf Banscherus von der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt an der TU Berlin. Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es vorgemacht: Sie haben sich Gehör verschafft und das Problem der Befristungen in den Fokus gerückt. Dazu gibt es jetzt Studien – und Strategien. »Davon sind wir im Bereich des wissenschaftsunterstützenden Personals noch weit entfernt«, sagt der Sozialwissenschaftler. »Aber es gibt erste Schritte.« Zunächst gelte es, aus der defensiven Situation rauszukommen und ein Bewusstsein für die Situation der Beschäftigten zu schaffen. Wenn er die Ergebnisse der Studie vorstelle, seien viele verblüfft: »Oh, es ist gar nicht nur bei uns so schlimm!?«

Deshalb werden die Ergebnisse jetzt noch breiter bekanntgemacht und in dem Podcast »Die akademische Hinterbühne« diskutiert, der von der TU Berlin mit Unterstützung von ver.di produziert wird. Außerdem sind drei Workshops geplant, zu Ablauforganisation, Personalentwicklung und Führungskultur. »Dabei geht es um konkrete Schritte zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen«, erklärt Ulf Banscherus. »Die Workshops sollen aufzeigen, wie sich schon mit wenig Mitteln etwas bewirken lässt.« Ein großes Thema sei zum Beispiel die Personalentwicklung. Die Unzufriedenheit über fehlende Aufstiegsmöglichkeiten sei sogar noch größer als über das Einkommen. Die Beschäftigten empfänden ihre Arbeit häufig als Sackgasse, sagt der Autor. Deshalb sei es wichtig, ihnen Karrierewege zu eröffnen und Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. Übrigens auch im Interesse der Hochschulen. »Sie haben ohnehin Probleme, offene Stellen zu besetzen.«

 

»Die Tätigkeitsprofile werden zum Teil bewusst so formuliert, dass die Beschäftigten niedrig eingruppiert werden. Und hinterher beschwert sich die Uni, dass sich keine Leute finden.«

Personalrat André Bödecker von der Uni Bremen

Natürlich sei auch eine bessere Bezahlung zentral. »Dafür braucht es harte Tarifverhandlungen und Organisationsmacht«, stellt der Wissenschaftler klar. Mit anderen Worten: »Klassische Arbeitskämpfe, anders geht es nicht.« Dafür gilt es, sich zu organisieren. Die letzte Tarifrunde habe in dieser Hinsicht etwas bewegt – »und eine kleine Flamme erzeugt.«

Auch André Bödecker aus Bremen berichtet, dass die letzte Tarifrunde einen enormen Schub gebracht hat. Viele Beschäftigte aus den wissenschaftsunterstützenden Bereichen sein neu bei ver.di eingetreten. »Ein Riesenschritt nach vorne.« Diese Einschätzung teilt Petra Ducci-Eiklenborg aus Wilhelmshaven. Sonst seien Tarifrunden oft sehr zäh gewesen. »Früher haben immer eher die anderen für uns mitgekämpft. Das war diesmal anders.« Von der Sekretärin über den Hausmeister bis zum Professor und der Professorin seien alle dabei gewesen. »Die Stimmung war total kämpferisch.“ Die Leute hätten erkannt, dass sie etwas tun müssen. Die vielen Eintritte in ver.di führten dazu, dass das wissenschaftsunterstützende Personal an Hochschulen sichtbarer werde. »Es ist was in Bewegung.«

Mehr Infos gibt es hier! Und auf der Projektseite der TU Berlin. 

 

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