Tolles Wir-Gefühl: Über die Hälfte der Kolleg*innen im Studierendenwerk Bochum sind bei ver.di organisiert. Diese Stärke nutzen sie – und machen mobil gegen niedrigste Eingruppierung.
Ob in der Verwaltung, Cafeteria, Technik oder Spülküche: In Teams haben Ella Franz und ihre Mitstreiter*innen systemtisch alle Abteilungen des Studierendenwerks Bochum abgeklappert. Überall haben sie mit ihren Kolleg*innen klar gemacht: »Es wäre schön, wenn ihr dabei seid!« So haben sie in der Tarifrunde für den öffentlichen Dienst im Frühjahr viele neue ver.di-Mitglieder gewonnen. »Mehr als erhofft«, freut sich Ella Franz. Über die Hälfte der Kolleg*innen im Akademischen Förderungswerk, kurz AKAFÖ, ist jetzt bei ver.di organisiert. »Wir haben ein richtig tolles Wir-Gefühl entwickelt.« Und gemeinsam viel erreicht.
In der Tarifrunde für Bund und Kommunen streikten sie fünf Mal. Die Cafeteria musste geschlossen bleiben, die Mensa weniger Auswahl an Essen anbieten. »Wir waren total mutig«, sagt Ella Franz. »Darauf sind wir richtig stolz.« So trugen die Kolleg*innen mit dazu bei, dass die Löhne um durchschnittlich elf Prozent steigen. Außerdem setzten sie im Anschluss mit dem Personalrat durch, dass im ersten Schritt die unterste Entgeltgruppe EG1 in der Cafeteria nicht mehr angewendet wird. »Das ist erst der Anfang«, betont der stellvertretende Personalratsvorsitzende Thorsten Krenz. Erklärtes Ziel sei, bis zum nächsten Jahr komplett auf die EG1 zu verzichten. Und zwar nicht nur in Bochum. Die Personalräte aus allen Studierendenwerken in ganz Nordrhein-Westfalen vernetzten sich derzeit, um die Forderung gemeinsam durchzusetzen.
Auch unter anderem in Köln, Bielefeld und Düsseldorf würden Kolleg*innen in der Essenausgabe und in den Spülküchen noch nach dem niedrigsten Hilfsarbeiterlohn bezahlt, kritisiert Markus Becker, Sprecher der ver.di-Bundesarbeitsgruppe Studierendenwerke. »Davon kann niemand leben.« Die Eingruppierung in einfachste Tätigkeiten sei überhaupt nicht vertretbar. »Das geht in Richtung Ausbeutung.« Der Arbeitskräftemangel erlaube eigentlich gar keine EG1 mehr. Doch leider sei die Not so groß, dass sich immer noch Menschen fänden, die unter diesen Bedingungen arbeiteten. »Es ist dringend an der Zeit, dass da endlich etwas passiert.«
Als Servicekraft weiß Ella Franz, dass der niedrige Lohn kaum zum Leben reicht. Viele Kolleg*innen hätten einen Zweitjob, kellnerten abends im Restaurant oder gingen noch Putzen. »Vor allem für alleinerziehende Mütter ist die Situation ganz schlimm.« Auch deshalb waren Ella Franz und ihre Mitstreiter*innen in der Tarifrunde wildentschlossen, sich für bessere Löhne stark zu machen. Sie liefen durch die Gebäude und sammelten Unterschriften von Kolleg*innen, die sich zum Streiken bereit erklärten. Die Liste mit den Namen füllte mehrere Seiten. »Wenn wir so viele sind: Was kann uns passieren?«
Als Servicekraft in der Cafeteria wurde Ella Franz von der EG1 in die EG2 hochgestuft – und hat dadurch trotz Teilzeit jeden Monat netto fast 200 Euro mehr auf dem Konto. »Das macht einen großen Unterschied«, betont die Mutter von zwei Kindern. Doch ihr liegt vor allem am Herzen, dass die unterste Entgeltgruppe so schnell wie möglich für alle abgeschafft wird. »Dafür sind wir bereit zu kämpfen«, stellt Ella Franz klar. »Sofort!«
Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) ist die EG1 die allerniedrigste Lohngruppe für einfachste Tätigkeiten. Das Einstiegsgehalt liegt für die Beschäftigten von Bund und Kommunen bei 2.016 Euro brutto für eine Vollzeitstelle. Die Arbeit darf keine Vor- oder Ausbildung erfordern, zudem nur eine sehr kurze Einführung. Das Bundesarbeitsgericht erklärt, dass es sich im Wesentlichen um gleichförmige und gleichsam »mechanisch« durchzuführende Tätigkeiten handelt, die keine nennenswerten eigenen Überlegungen und Entscheidungen erfordern. Kurzum: Es müsse sich um Tätigkeiten handeln, die »an Einfachheit nicht zu überbieten« seien (Vgl. BAG 28.1.2009 – 4ABR92/07).
Einfache Tätigkeiten fallen in die EG2 mit einem Einstiegsgehalt von 2.242 Euro im TVöD Bund/Kommunen.
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