Im dritten Corona-Semester herrscht an den Hochschulen eine Art Dauer-Ausnahmezustand. Mit einem Mix aus Präsenz- und digitaler Lehre versuchen sich die Hochschulen durch die Krise zu manövrieren. Dabei war der plötzliche Digitalisierungsschub weitgehend unvorbereitet. Viele Herausforderungen mussten von den Beschäftigten unter hohem Zeitdruck jeweils individuell gemeistert werden. Nach wie vor fühlen sich sowohl Lehrende als auch Studierende vielfach nicht gut unterstützt.
Deshalb führen in diesem Papier ver.di-Mitglieder aus der Praxis, Lehrende, Studierende, Personalrät*innen, IT- und Verwaltungsfachkräfte ihre Perspektiven und Expertise zusammen und formulieren Anforderungen für Studium und Lehre unter Corona-Bedingungen. Das Papier ergänzt bereits vorliegende Konzepte und Forderungen von ver.di zur Corona-Politik an den Hochschulen, die im Papier Gemeinsam stark statt Krisenort Hochschule – Hilfen für Studierende und Beschäftigte! – ver.di (verdi.de) zusammengefasst sind.
Unsere zentralen Forderungen für Studium und Lehre lauten zusammengefasst:
- Personalräte wie Studierendenvertretungen sind als Expert*innen der Lern- und Arbeitsbedingungen frühzeitig und umfassend in die Konzeption von Hygieneplänen und die Krisenstäbe der Hochschulen einzubeziehen.
- Über Präsenzangebote muss nach Maßstäben der sachlichen Notwendigkeit (z.B. Laborarbeiten, Erstsemester) und nicht nach individuellen Vorlieben entschieden werden.
- Präsenzlehre darf gerade unter Pandemie-Bedingungen nicht so gestaltet sein, dass sie Personen ausschließt. Persönliche Lebensumstände müssen berücksichtigt und Nachteile ausgeglichen werden.
- Hochschulen müssen Arbeitsräume und -plätze vor Ort coronasicher gestalten und dann soweit möglich offenhalten.
- Präsenz- und synchrone Onlineveranstaltungen müssen aufeinander abgestimmt werden, damit sie für Studierende praktikabel sind. Präsenz- und Onlinetage sind dafür eine Möglichkeit.
- Homeoffice kann ein wichtiges Element der Pandemiebekämpfung sein. Dabei ist der Arbeitgeber in der Pflicht, für angemessene Ausstattung zu sorgen und die Mehrfachbelastung durch zusätzliche Care-Arbeit, die insbesondere Frauen trifft, zu berücksichtigen. Dazu müssen Dienstvereinbarungen mit den Personalräten abgeschlossen werden.
- Studierende dürfen bei der Online-Lehre nicht abgehängt werden. Erst recht nicht, weil sie aus finanziellen Gründen nicht die technischen Voraussetzungen haben. Sie müssen in die Lage versetzt werden, an allen Angeboten teilzunehmen.
- Studierenden darf durch ein erneutes Corona-Semester im Hinblick auf Prüfungsleistungen, Studienfortschritt und Regelstudienzeit kein Nachteil entstehen. Hier sind frühzeitig und flächendeckend großzügige Regelungen zu treffen.
- Hochschulen müssen sich auch gegenüber Lehrbeauftragten verantwortungsbewusst verhalten und ihnen den gleichen Zugang zu Online-Lehre ermöglichen wie allen anderen Lehrenden.
- Online-Lehre muss mindestens in vollem Umfang auf das Lehrdeputat angerechnet werden, ein ggf. nötiger höherer Aufwand muss zusätzlich berücksichtigt werden.
veröffentlich am 9. Juni 2021