Ohne die Beschäftigten in Technik, Verwaltung und Service läuft keine Hochschule. Das betonte der Leiter des ver.di-Bereichs Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft, Matthias Neis, zum Auftakt einer Tagung für wissenschaftsunterstützendes Hochschulpersonal am Montag (22. Mai 2023) in Berlin. »Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind ein Gemeinschaftsprodukt, an dem viele verschiedene Profis zusammenarbeiten.« Doch diese Tatsache komme in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung nur selten vor. Die über 100 Teilnehmenden der Tagung stellten klar, dass das geändert und die Arbeitsbedingungen verbessert werden müssen.
Wie schlecht es um die Beschäftigungsbedingungen bestellt ist, zeigt der DGB-Hochschulreport, über dessen Ergebnisse Stefan Reuyß vom Institut für sozialwissenschaftlichen Transfer berichtete. Laut der Online-Befragung, an der sich 2019 mehr als 10.000 Hochschulbeschäftigte beteiligten, liegt die Zufriedenheit beim wissenschaftsunterstützenden Personal in sämtlichen Aspekten deutlich unter dem Durchschnitt aller Branchen, der im DGB-Index Gute Arbeit erhoben wird. Besonders gravierend ist demnach die geringe Arbeitsplatzsicherheit. »Das ständige Gefühl der Unsicherheit haben nicht nur viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern auch diejenigen, die die Hochschulen täglich am Laufen halten«, erklärte der Autor des Hochschulreports mit Blick auf die vielen befristeten Arbeitsverträge. Hinzu komme eine sehr hohe Arbeitsintensität, die unter anderem dazu führe, dass die tatsächlichen Arbeitszeiten deutlich über den vertraglich vereinbarten liegen.
Die versammelten Betriebs- und Personalräte bestätigten diese Darstellung in jeglicher Hinsicht. »Die Mitarbeitenden sind hochgradig unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen«, berichtete Charlotte Belle-Fejsa von der Uni Heidelberg. »Ein „Weiter so“ können sich die Hochschulen nicht mehr leisten«, betonte die Personalrätin mit Verweis auf die angespannte Arbeitsmarktlage. Dennoch müssten die Interessenvertretungen für jede Veränderung harte Kämpfe mit den Dienststellenleitungen ausfechten. Die Passivität der Arbeitgeber sei »beunruhigend«. Dass es in außeruniversitären Forschungseinrichtungen nicht besser aussieht als an den Hochschulen, machte die Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Max-Planck-Gesellschaft, Gloria von Eilpe, deutlich. Auch hier habe sich die Arbeit massiv verdichtet, könnten Stellen oft nicht neu besetzt werden.
Die Kanzlerin der Hochschule Magdeburg-Stendal, Dr. Antje Hoffmann, betonte in einer Podiumsdiskussion zum Abschluss der Tagung ebenfalls die Probleme, qualifiziertes Personal zu gewinnen. »Mehr Stellen helfen nicht, wenn die Leute dafür auf dem Arbeitsmarkt nicht da sind«, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Bundesvereinigung der Hochschulkanzlerinnen und -kanzler. Den hohen Anteil befristeter Stellen führte sie vor allem auf die Befristung von Geldern zurück. Bei diesem »systemischen Problem«, wie es Dr. Hoffmann nannte, waren sich wohl alle Teilnehmenden einig: Die Grundfinanzierung der Hochschulen muss erhöht werden!
Christina Wolff vom Vorstand der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen machte indes auf weitere »systemische Probleme« aufmerksam: das Machtgefälle an Hochschulen und die schlechtere Bewertung weiblich konnotierter Tätigkeiten. Dies zeige sich daran, dass die Bezahlung in den Sekretariaten nicht den tatsächlichen Kompetenzen entspreche. Hier brauche es eine Kulturveränderung hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit. Die Gleichstellungsbeauftragte betonte, der Mangel an Fachkräften bestehe nicht nur in der IT, sondern auch in den Sekretariaten.
ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler ergänzte, es gebe nicht nur einen Fachkräfte-, sondern einen generellen Arbeitskräftemangel. Vor diesem Hintergrund sei völlig unverständlich warum Hochschulleitungen weiterhin auf sachgrundlosen Befristungen und möglichst niedrigen Eingruppierungen beharren. »Das Problem ist bei den Arbeitgebern offenbar immer noch nicht richtig angekommen«, bilanzierte die Gewerkschafterin. Wenn die Beschäftigten der Hochschulen und Forschungseinrichtungen keine angemessene Wertschätzung erhielten, müssten sie sich selbst Respekt verschaffen. Das gelte auch mit Blick auf die im Herbst anstehende Länder-Tarifrunde, bei der »eine kräftige Lohnerhöhung mit einer starken sozialen Komponente« angebracht sei. Doch dass die Tarifgemeinschaft deutscher Länder dies freiwillig gebe, sei nicht zu erwarten. Dafür müssten sich die Beschäftigten in Hochschulen und anderen Landeseinrichtungen selbst einsetzen. »Respekt verschafft man sich, indem man sich zusammenschließt und sich holt, was einem zusteht.«
Bei drei zeitgleich tagenden Arbeitsgruppen standen die Situation in den Hochschulsekretariaten, in der Sachbearbeitung sowie der Kommunikations- und Informationstechnik im Fokus. Als Essenz aus der AG 1 benannte Antje Thomaß vom ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg, dass die Ansprüche in den Sekretariaten massiv zugenommen haben, was sich aber weder in den Tätigkeitsbeschreibungen noch in der Eingruppierung niederschlage. Hier seien Verbesserungen in der Entgeltordnung des Länder-Tarifvertrags nötig, für die sich die Betroffenen allerdings auch selbst stärker einsetzen müssten.
Aus der Debatte in der AG 2 berichtete Erik Wolf vom ver.di-Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen über die Forderung, Beschäftigte aus der Sachbearbeitung bei digitalen Veränderungsprozessen mitzunehmen. »Engagement muss anerkannt werden durch einen Ausgleich in Form von Zeit oder Geld«, sagte der Gewerkschafter. Meist gebe es aber lediglich »einen warmen Händedruck«. Wolf betonte, dass die Einführung digitaler Technologien Interessenkonflikte zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern nicht auflöse – im Gegenteil. Viele Sachbearbeiter*innen hätten berechtigte Ängste. Um ihnen zu begegnen, müssten für die Digitalisierung klare Regeln durchgesetzt werden.
Die Kommunikations- und Informationstechnik breite sich auch in Hochschulen und Forschungseinrichtungen rasant aus, erklärte Dr. Frank Ahrens vom ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen zu den Diskussionen in der AG 3. »Um das gut zu gestalten, brauchen die Hochschulen Ressourcen«, womit unter anderem Zeit für Fortbildungen, ausreichend und gut qualifizierte Beschäftigte sowie eine gute Arbeitsorganisation gemeint sind.
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