Wissenschaft wehrt sich

3.000 Berliner Hochschulbeschäftigte und Studierende demonstrieren gegen Haushaltskürzungen. Auch das Studierendenwerk muss drastisch sparen.
19.12.2024

Drinnen, im Berliner Abgeordnetenhaus, versuchte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Donnerstag (19. Dezember 2024) die von seiner Regierung beschlossene Sparorgie zu rechtfertigen. Auf insgesamt zwei Milliarden Euro belaufen sich die Kürzungen des schwarz-roten Senats, 250 Millionen soll allein das Wissenschaftsressort einsparen. Dagegen demonstrierten draußen zeitgleich 3.000 Beschäftigte und Studierende der Berliner Hochschulen. Sie fürchten massive Verschlechterungen in Lehre und Forschung, bei den Arbeitsbedingungen und den Angeboten des Studierendenwerks.

 
Demonstration gegen Hochschulkürzungen am 19. Dezember 2024 in Berlin

»Heute werden die größten Kürzungen im Hochschulbereich seit Jahrzehnten beschlossen«, kritisierte der Personalratsvorsitzende der Humboldt-Universität, René Pawlak. »So sind gute Bedingungen in der Wissenschaft nicht möglich. Denn schon jetzt ächzen die Beschäftigten unter der Belastung. Mit den Kürzungen wird das nochmal dramatisch zunehmen.« Das befürchtet auch die Personalratsvorsitzende der TU Berlin, Stefanie Nickel. Die Auswirkungen seien bereits spürbar: Ab dem Jahreswechsel gelte in der zentralen Verwaltung der TU ein Einstellungsstopp. Dabei seien ohnehin viele Stellen nicht besetzt, weil das nötige Personal unter den aktuellen Bedingungen nicht zu finden ist.

Besonders betroffen sei auch der wissenschaftliche Mittelbau, in dem die meisten Verträge befristet sind. Ab dem 1. April 2025 sollte promovierten Beschäftigten im Anschluss an eine befristete eigentlich eine unbefristete Stelle angeboten werden müssen. Doch diese, vom Vorgänger-Senat beschlossene Entfristungszusage, die bundesweit viel Beachtung gefunden hat, soll wieder abgeschafft werden. Die Haushaltskürzungen, verschärfen die prekäre Situation nun noch weiter.

 

Katastrophal findet Stefanie Nickel zudem, dass der TU für Baumaßnahmen vorgesehene Rücklagen entzogen werden sollen. »Wenn wir mit unseren Rücklagen die Haushaltslöcher des Landes stopfen müssen, fehlt das Geld für die dringend nötige Sanierung und den Bau von Gebäuden«, erklärte die Personalrätin. Bei weiteren strukturellen Kürzungen »geht es an die Substanz der Hochschulen, dann könnten ganze Studiengänge oder Fachgebiete infrage gestellt werden«. Der Akademische Senat und das Kuratorium der TU Berlin warnten in einem Offenen Brief an Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) ebenfalls vor »irreversiblen strukturellen Schäden«. Wissenschaft sei ein wichtiger Schlüssel zur Bewältigung der diversen Krisen, sie brauche eine verlässliche Finanzierung.

 
Auch die Rücklagen für Baumaßnahmen der Berliner Universitäten sollen beschnitten werden.

Verantwortungslose Kürzungspolitik

Die ver.di-Landesleiterin Andrea Kühnemann stellte klar, dass die Kürzungen nicht alternativlos sind. Selbst nach den Regeln der Schuldenbremse könne Berlin eine Milliarde Euro zusätzlich für den Landeshaushalt mobilisieren, doch darauf werde aus ideologischen Gründen verzichtet. »Diese Weigerung, die bestehenden finanzielle Spielräume zu nutzen, ist verantwortungslos.«

Die Kürzungen treffen auch das Studierendenwerk empfindlich: Ihm sollen 6,55 Millionen Euro – ein Drittel des gesamten Budgets – entzogen werden. »Das Versprechen auf ein Studium unabhängig von der sozialen Herkunft wird durch die Kürzungen gebrochen«, sagte Jana Seppelt, die bei ver.di in Berlin und Brandenburg für den Wissenschaftsbereich zuständig ist.

 

Maike Thiessen, die als Teamleiterin in der Hauswirtschaft arbeitet und in der ver.di-Betriebsgruppe des Studierendenwerks aktiv ist, macht sich Sorgen, dass die Preise nun weiter steigen, Leistungen eingeschränkt und Stellen abgebaut werden könnten. »Ausgerechnet bei armutsbedrohten Studierenden zu sparen, finde ich ein Unding.« Dagegen gemeinsam auf die Straße zu gehen, findet die Teamleiterin »genau richtig«.

Für Stefanie Nickel von der TU Berlin war die Demonstration vor dem Abgeordnetenhaus ein gelungener Auftakt. Wegen des hohen Arbeitsdrucks kurz vor den Weihnachtstagen hätten eine Reihe von Kolleg*innen nicht dabei sein können. Die Protestbereitschaft werde sicher noch deutlich zunehmen, sobald die Sparmaßnahmen konkreter werden. Besonders dann, wenn der Senat auch in den kommenden Haushaltsrunden bei Bildung und Wissenschaft den Rotstift ansetzt. Die Personalrätin ist überzeugt: »Das wird eine harte Auseinandersetzung.«

 

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