Stolze 372 Seiten umfasst der Ratgeber für die Mitglieder von Mitarbeitervertretungen (MAV) in Einrichtungen der katholischen Kirche und ihres Wohlfahrtsverbandes Caritas – für geübte Leser*innen mit arbeitsrechtlichen Vorkenntnissen gut zu lesen, für andere eine Herausforderung. Diese anzugehen, lohnt sich allerdings. Denn die Erkenntnisse und Botschaften der in überarbeiteter Fassung erschienenen MAV-Tipps sind für eine wirksame Interessenvertretung im katholischen Bereich unabdingbar.
Die erste Auflage der »Tipps für MAV-Mitglieder in der katholischen Kirche und Caritas« haben Christina Merkel, Richard Geisen und Christof Mock vor drei Jahren vorgelegt. Ebenfalls im Bund-Verlag erschien nun eine überarbeitete und aktualisierte Auflage, die es in sich hat. Bei zukünftigen Auflagen wäre allerdings darüber nachzudenken, in welcher Form plakativ in die jeweiligen Themenfelder eingeführt werden kann, um es den Lesenden zu erleichtern.
Im Interesse der Beschäftigten
Im Folgenden eine kurze Übersicht über die Inhalte. Kapitel I behandelt Rollenverständnis und Motivation der gewählten MAV-Mitglieder. Zentraler Tipp: Mitarbeitervertretungen sind nicht dazu da, Erwartungen der Arbeitgeber (in der Kirchensprache: Dienstgeber) zu erfüllen. Sie sollten vielmehr das sein, was ihr Name besagt: die Interessenvertretung der Mitarbeitenden, der abhängig Beschäftigten. Die Grundlagen der MAV-Arbeit mit ihren Rechtsvorschriften werden auf 60 Seiten in Kapitel II dargestellt. Wie im gesamten Buch helfen am Seitenrand aufgeführte Tipps, das eine oder andere besser zu verstehen.
Kapitel III widmet sich den überbetrieblichen Zusammenschlüssen sowie den Organen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Besonders zu empfehlen ist jedem MAV-Mitglied Kapitel IV, das die unscheinbare Überschrift »Alltag und laufende Arbeit der MAV« trägt. Sehr gelungen ist zum Beispiel die Empfehlung, ein Controllinginstrument über den Aufwand und Ertrag einzelner Aktivitäten zu etablieren. Vorausgesetzt im Gremium wird offen diskutiert – auch das will gelernt sein –, kann dieses helfen, vorwärts gerichtete, klar an Beschäftigteninteressen orientierte MAV-Arbeit zu gestalten.
Rolle der Gewerkschaftsarbeit
Wie schon in der ersten Auflage, wird die – unbedingt notwendige – gewerkschaftliche Arbeit eingehend erläutert. Im Anhang finden Leser*innen umfassendes Grundlagenmaterial, zum Beispiel zum sogenannten Streikrechtsurteil 2012 und zum Sonderarbeitsrecht der Kirchen. In Kapitel V bis VII werden die Rechtsgrundlagen der MAV-Arbeit ausführlich erklärt und das kirchliche Nebenarbeitsrecht kritisch ausgeleuchtet. Methodisch und inhaltlich sauber werden die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) als allgemeine Geschäftsbedingungen charakterisiert, die nicht wesensgleich mit Tarifverträgen sind.
Auf die Gedankenwelt der Arbeitsrechtsreglungen in der katholischen Kirche mit ihrer Caritas gehen die Autor*innen in Kapitel VIII ein. Wohltuend sachlich werden in der kirchlichen Insiderwelt rauf und runter diskutierte Begriffe wie Dienstgemeinschaft, Dritter Weg, Loyalität und Parität auseinandergenommen.
Was geht noch besser?
Wie schon für die erste Ausgabe 2021 gilt auch für die aktualisierte und erweiterte Neuauflage: Jeder MAV ist dieses Handbuch unbedingt zu empfehlen. Mein Praxistipp zur sinnvollen Nutzung: Vierteljährlich möge ein MAV-Mitglied über ein Thema seiner bzw. ihrer Wahl aus diesem Buch auf einer Sitzung referieren. Motto und Ziel: aktive MAV-Arbeit – was geht noch besser?
Kritik am Sonderarbeitsrecht
Den Autor*innen sei gedankt für ihre kritische Haltung zum kirchlichen Sonderarbeitsrecht. Mit dieser Handreichung untermauern sie indirekt die Forderung nach gleichen Rechten für kirchlich Beschäftigte. Gerade deshalb sei insbesondere den Spitzenfunktionären der Zusammenschlüsse der Mitarbeitervertretungen in katholischer Kirche und Caritas die Lektüre dringend empfohlen.
Berno Schuckart-Witsch
Christina Merkel, Richard Geisen, Christof Mock: Tipps für MAV-Mitglieder in der katholischen Kirche und Caritas. Rechtliches Wissen und soziale Kompetenz, zweite
aktualisierte Auflage 2024
Frankfurt am Main, Bund-Verlag, 372 Seiten, 34,90 Euro,
ISBN: 978-3-7663-7393-9
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