Die Beschäftigten der Evangelischen Stadtmission Heidelberg, einer Einrichtung der Diakonie, haben 2014 einen Haustarifvertrag durchgesetzt und erfolgreich den so genannten »Dritten Weg« hinter sich gelassen. Seither fanden mehrere Tarifrunden statt, in denen sie Forderungen aufgestellt, sich für diese aktiv eingesetzt und ihnen Nachdruck verliehen haben, bis jeweils ein Tarifergebnis erzielt werden konnte. Dies war erneut auch in der Entgeltrunde 2022 nötig. Mit Hilfe vieler Aktionen haben die Kolleg*innen Druck auf die Arbeitgeber*innen erzeugen müssen, um deren Kompromissbereitschaft zu erhöhen. Möglich war das nur durch die Aktivitäten der Kolleg*innen der ver.di-Betriebsgruppe bei der Stadtmission.
Dabei waren die Aktionsformen ganz unterschiedlich, und reichten von Informations- bis hin zu Mitmachangeboten. So sind nummerierte Kurzflyer mit kurzen und knackigen Informationen zur Tarifrunde und QR-Codes für weiterführende Informationen verteilt worden. Sehr hilfreich waren zudem Infostände vor ausgewählten Einrichtungen, um mit den Kolleg*innen im Betrieb ins Gespräch zu kommen. Ziel war es, durchgehend Präsenz in den Einrichtungen zu zeigen, zum Teil auch ganz niedrigschwellig durch ver.di-Tassen in der Kaffeeküche, Textilaufkleber auf der Kleidung oder Plakate an den schwarzen Brettern bzw. Info-Wänden.
Sehr gut angenommen wurde eine Foto-Aktion unter dem Motto »Wir sind verhandlungsbereit«. So war es möglich, mit vielen Kolleg*innen aus den unterschiedlichen Einrichtungen ins Gespräch zu gehen und mit ihnen über den unmittelbar bevorstehenden Verhandlungsstart zu reden. Das war wichtig, denn eine Herausforderung in der Stadtmission sind die großen Entfernungen zwischen den Einrichtungen. Die mehr als zehn Einrichtungen sind zum Teil bis zu 50 Kilometer von Heidelberg entfernt. Besondere Wertschätzung haben die Hebammen einer Einrichtung erhalten, die zu dem Zeitpunkt sehr belastet waren und besonders viel Arbeit hatten. Da die Arbeitgeber das nicht anerkannt oder wertgeschätzt haben, hat das die Betriebsgruppe übernommen. Um auch möglichst viele Kolleg*innen auf dem Weg der Tarifrunde mitzunehmen und unsere Forderungen auch öffentlich bekannt zu machen, wurde eine Unterschriftenaktion durchgeführt. Sowohl die Kolleg*innen als auch Menschen, die nicht in der Stadtmission beschäftigt waren, durften unterschreiben. Mit Erfolg: über 600 Unterschriften von den Beschäftigten der Stadtmission und über 300 von außerhalb konnten gesammelt werden.
Zu den Verhandlungstagen für den Tarifvertrag ist für die Kolleg*innen Unterstützung organisiert worden, die die Verhandlungen geführt haben. Dafür ist eine weitere Foto-Aktion zum Verhandlungstag durchgeführt worden, an dem sich Kolleg*innen vor den Einrichtungen gezeigt haben. Am dritten Verhandlungstag fand dann eine aktive Mittagspause der Beschäftigten statt, über die auch in der Zeitung berichtet worden ist. Ein besonderer Höhepunkt war das Spalier der Kolleg*innen, das von den Arbeitgebern an allen Verhandlungstagen passiert werden musste. Es galt der Grundsatz: Kein Verhandlungstag ohne Aktion. Warum diese Aktionen? Die Erfahrung aus der vergangenen Tarifrunde hat gezeigt, dass die Beschäftigten kreativ sein müssen, auch um Druck auf den Arbeitgeber aufzubauen. Das letzte Ergebnis hat nicht den Erwartungen entsprochen und es war klar, dass sich beim nächsten Mal mehr Kolleg*innen beteiligen müssen, damit den Arbeitgeber*innen klar ist, dass sie es ernst meinen. Bei der Auswahl der Aktionen war es wichtig, dass die Beschäftigten einfach mitmachen können und so selbst aktiv werden. Es gibt für die Stadtmission zwar den Tarifvertrag, doch muss den Kolleg*innen immer wieder deutlich werden: Gute Ergebnisse fallen nicht vom Himmel, sondern jede*r ist gefordert, sich aktiv einzusetzen, sonst gibt es keine Verbesserungen. Oft fehlt dafür noch die Erfahrung. Deshalb war es nötig, hier Unterstützung zu bekommen. Dafür hat ver.di gesorgt.
Was war besonders gelungen?
Die erste Foto-Aktion zum Auftakt der Tarifverhandlungen war ein großer Erfolg. Die Kolleg*innen sollten sich mit selbstgemachten Protestplakaten fotografieren und verdeutlichen, dass sie bereit sind, zu verhandeln und sich für ihre Bedürfnisse einzusetzen. Es war eine schöne Überraschung, welche tollen Fotos entstanden sind und was für kreative Sprüche sich die Kolleg*innen ausgedacht haben. Die Aktion hat allen Beteiligten sehr viel Spaß gemacht, und viele dieser Plakate hängen immer noch. Eine weitere besonders gelungene Initiative war die Unterschriftenaktion zum zweiten Verhandlungstag. Dort waren die Kolleg*innen aus allen Einrichtungen dazu aufgefordert, für die Tarifforderungen zu unterschreiben. Außerdem konnten auch Freunde, Familie und Interessierte sich beteiligen. Die große Menge an Unterschriften hat ein enormes Gefühl der Wertschätzung ausgelöst, weil sichtbar wurde, dass die Beschäftigten nicht allein mit ihren Forderungen stehen und viele andere sie sehen und unterstützen. Das wurde vor allem daran deutlich, dass viele von außerhalb der Stadtmission unterschrieben haben. So wurden die Tarifrunde und die Anliegen der Kolleg*innen in Familien, Vereine, Freundeskreise usw. getragen. Die Gespräche auf dem Weg zu den gesammelten Unterschriften waren sehr wichtig und haben Rückenwind gegeben. Die aktive Mittagspause zum dritten Verhandlungstag war auch ein großer Erfolg. Die Kolleg*innen aus den verschiedenen Einrichtungen der Stadtmission haben sich zu einer aktiven Mittagspause am Ort der Verhandlungen getroffen. Mit Transparenten, Plakaten und ver.di-Westen haben die Kolleg*innen demonstrativ zu Mittag gegessen und klargemacht: Sie sind da und setzen sich für ein gutes Ergebnis ein!
Was hat vor allem für den Erfolg der Tarifrunde gesorgt?
Es ist gelungen, alle Einrichtungen der Stadtmission mit ins Boot zu holen, eine Atmosphäre von Neugier und Erwartung zu erzeugen und auch aufrecht zu erhalten. Die Aktionen haben Spaß gemacht und es entstand eine Stimmung, die es den Kolleg*innen leicht gemacht hat, sich zu beteiligen. Die von ver.di organisierte Unterstützung nahm den aktiven Kolleg*innen viele zeitaufwändige Aufgaben ab, die sie neben ihrer Berufstätigkeit in diesem Umfang nicht hätten leisten können. Ganz wichtig ist auch, dass sich im Laufe der Tarifrunde die Stimmung in der ver.di-Betriebsgruppe verändert hat: Inzwischen ist deutlich mehr Energie in den Betriebsgruppentreffen spürbar. Es gibt weiterhin manchmal unterschiedliche Meinungen, das ist aber völlig in Ordnung. Entscheidend ist, dass alle aktiven Kolleg*innen mit viel Spaß, Ausdauer und Kreativität an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen aller Kolleg*innen arbeiten. Muriel und Simon – für die ver.di-Betriebsgruppe Stadtmission Heidelberg
Dieser Artikel ist im Kirchen.info Nr. 40 erschienen.