Beteiligung unerwünscht

Beschäftigte des Sophien- und Hufeland-Klinikums Weimar fordern Tarifverhandlungen. Doch Kirche und Diakonie reagieren mit Ablehnung und Anklage.
16.08.2024

Enttäuscht und wütend – so lässt sich die Stimmung unter den Beschäftigten des Sophien- und Hufeland-Klinikums Weimar zusammenfassen. Nahezu die Hälfte von ihnen hat sich in ver.di organisiert, eine Tarifkommission gewählt und ihren diakonischen Arbeitgeber zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag aufgefordert. Doch Kirche, Diakonie und Klinikleitung haben das nicht nur kategorisch zurückgewiesen, sondern auch Klage gegen einen Aufruf zum Warnstreik eingereicht, der daraufhin abgesagt wurde.

»Wir fühlen uns wie vor den Kopf gestoßen«, sagt der Fachkrankenpfleger Mathias Korn, der sich in der Mitarbeitervertretung und bei ver.di engagiert. »Wir wollen nichts anderes, als über unsere Arbeitsbedingungen so mitzubestimmen, wie es auch in weltlichen Betrieben möglich ist. Dass Diakonie und Kirche darauf mit Ablehnung und Anklage reagieren, finde ich als Beschäftigter, aber auch als Christ, sehr irritierend.« Schließlich stehe die Kirche sonst für Dialog und Teilhabe, gegenüber ihren eigenen Beschäftigten werde sie diesem Anspruch jedoch nicht gerecht. 

 
Aktive Mittagspause am Sophien- und Hufeland Klinikum in Weimar.

Arbeitgeber geht gerichtlich gegen ver.di vor

Eigentlich wollten die Kolleg*innen des Weimarer Klinikums am 1. August zum ersten Mal in einen Warnstreik treten, um ihrer Forderung nach Tarifverhandlungen Nachdruck zu verleihen. Doch die evangelische Kirche, das Diakonische Werk Mitteldeutschland und die Klinikleitung beantragten im Eilverfahren vor dem Erfurter Arbeitsgericht, den Streik zu untersagen. Das Gericht entschied zunächst ohne mündliche Verhandlung und legte diese dann auf den 2. August – einen Tag nach dem geplanten Warnstreik. »Dieses Verfahren haben wir so noch nicht erlebt«, kritisierte Bernd Becker, der bei ver.di in Thüringen für das Gesundheitswesen zuständig ist. »Anstatt sich mit uns an einen Tisch zu setzen, versucht die Arbeitgeberseite, mit allen Mitteln zu verhindern, dass die Beschäftigten ihre berechtigten Forderungen durchsetzen.« Wegen des noch nicht abgeschlossenen Eilverfahrens sagte ver.di den geplanten Warnstreik vorsorglich ab.

Um ihren Unmut über das Vorgehen des Arbeitgebers kundzutun, demonstrierten am 5. August rund 250 Beschäftigte mit einer »aktiven Mittagspause« vor dem Klinikum – noch mehr als bei vergangenen Aktionen dieser Art. »Die Botschaft ist klar: Die Beschäftigten des Sophien- und Hufeland-Klinikums wollen sich ihre Grundrechte nicht nehmen lassen«, erklärte der Gewerkschafter Bernd Becker. »Sie sind weiter bereit, sich für gute Arbeitsbedingungen einzusetzen. Der Arbeitgeber sollte dieses Engagement nicht länger blockieren.«

 
Aktive Mittagspause am Sophien- und Hufeland Klinikum in Weimar.

Beschäftigte wollen selbst Einfluss nehmen 

Mathias Korn machte deutlich, dass es den Kolleginnen und Kollegen in Weimar nicht nur um mehr Geld geht. »Wir wollen für unsere belastende und wichtige Arbeit angemessen bezahlt werden – das ist klar«, so der Krankenpfleger. Insbesondere Beschäftigte der unteren Entgeltgruppen sind in den kircheneigenen Regelungen der Diakonie Mitteldeutschland deutlich schlechter gestellt als im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). So verdient beispielsweise eine einjährig ausgebildete Pflegehilfskraft mit langjähriger Erfahrung bis zu 900 Euro monatlich weniger.

»Es geht uns aber auch um demokratische Mitbestimmung«, betonte Mathias Korn. »Wir wollen, dass über unsere Arbeitsbedingungen nicht länger in Kommissionen hinter verschlossenen Türen entschieden wird, sondern dass wir selbst Einfluss nehmen können.« Dass das auf dem kircheninternen »Dritten Weg« nicht geht, habe sich zuletzt bei der Inflationsausgleichsprämie gezeigt: Obwohl rund 10.000 Diakonie-Beschäftigte in Mitteldeutschland für eine höhere Prämie unterschrieben, hätten die Arbeitgeber dies einfach ignoriert. »Wir wollen transparente Verhandlungen auf Augenhöhe«, bringt es der Gewerkschafter auf den Punkt. Dafür wollen er und seine Kolleg*innen sich weiter einsetzen – der juristischen Winkelzüge ihres Arbeitgebers zum Trotz.