Seit 2015 gilt ein Tarifvertrag für die rund 1.700 Beschäftigten bei der Stadtmission Heidelberg. Im Sommer stand die nächste Tarifrunde an, die aus Sicht der ver.di-Mitglieder ihren Schwerpunkt auf das Entgelt legen sollte. Anders als aktuell vielerorts verliefen die Verhandlungen überraschend kurz und knackig.
Unsere ver.di-Betriebsgruppe in der Stadtmission hatte sich früh der anspruchsvollen Aufgabe gestellt, zügig alles so zu organisieren, dass eine tragfähige Forderung diskutiert und aufgestellt werden kann. Doch die beste Forderung nützt nichts, wenn wir nicht Kolleg*innen haben, die sie mittragen und sich gemeinsam dafür einsetzen. Aus diesem Grunde haben wir begleitend betriebliche Aktionen für die Verhandlungstage geplant und vorbereitet. Eine wesentliche Grundlage haben wir durch mehrere Besuche und viele Einzelgespräche mit Kolleg*innen in den verschiedenen Einrichtungen erreicht. Es ist uns gelungen, eine effektive Gruppe von Tarifbotschafter*innen zu bilden, um die Verhandlungstage gut begleiten zu können. Tarifbotschafter*innen erfüllen eine wichtige Aufgabe: Sie sind der direkte Draht in die Teams bzw. Arbeitsbereiche während der Tarifverhandlungen. So ist stets eine unmittelbare Verbindung zwischen den Kolleg*innen, die verhandeln, und den Teams gewährleistet.
Wir hatten für den ersten Verhandlungstermin alle Kolleg*innen aufgerufen, zum Verhandlungsort zu kommen, um dort eine Menschenkette zu bilden, und es kamen richtig viele Kolleg*innen! Die Arbeitgeber-vertreter*innen waren überrascht und beeindruckt. Das hat unserer ver.di-Verhandlungskommission kräftig den Rücken gestärkt. Offen war, ob wir diesen Auftritt noch toppen könnten. Aber am zweiten und dritten Verhandlungstag sind nicht nur noch mehr Kolleg*innen dazugekommen, sondern wir haben mit Transparenten und Plakaten sowie lautstark unseren Forderungen gut sicht- und hörbar Nachdruck verleihen können. Die Energie und der Schwung der Kolleg*innen waren von Mal zu Mal größer, es beteiligten sich aus verschiedenen Einrichtungen immer mehr Kolleg*innen. Anfangs überwogen noch Vorsicht oder Neugier, doch von unserem gemeinsamen Engagement und der guten Laune ließen sich letztlich alle anstecken. Insbesondere das Erlebnis, in einer so großen Gruppe füreinander einzustehen und zusammen den Arbeitgeber zu beeindrucken, war für viele ungewohnt und positiv intensiv. Wir hoffen sehr, dass diese Erfahrung nachhaltig für unser gemeinsames gewerkschaftliches Engagement in der Stadtmission sein wird.
Die Kolleg*innen sind mit unserem Tarifergebnis durchweg zufrieden und haben positive Rückmeldungen gegeben. Die Mobilisierung für gemeinsame Aktivitäten war viel schneller und besser als noch in zurückliegenden Tarifrunden, da haben wir zunehmend mehr Übung und sind aufeinander eingespielt. Der Arbeitgeber hat von vornherein bessere Angebote vorgelegt, als es sonst der Fall war. Ein Grund dafür dürfte sein, dass immer mehr Kolleg*innen in der Stadtmission zeigen, dass die Tarifrunde ihre Sache ist und sie Erwartungen an den Arbeitgeber haben. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass die Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst und bei den Universitätskliniken Baden-Württemberg ebenfalls Handlungsdruck ausgelöst haben. Jedenfalls haben unsere verhandelnden Kolleg*innen wesentliche Verbesserungen erreichen können, weil sie mit einem gestärkten Rücken auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern verhandeln konnten.
Leider ist es uns nicht gelungen, die Inflationsausgleichsprämie von der eigentlichen Tabellenerhöhung getrennt zu vereinbaren. Sie wird jetzt gestückelt als »Erhöhung« bis Februar 2024 ausgezahlt (nicht tabellenwirksam). Das macht den meisten Kolleg*innen aber viel weniger aus, als wir befürchtet hatten. Als ver.di-Betriebsgruppe wünschen wir uns und arbeiten auch dafür, dass sich noch mehr Kolleg*innen in ver.di organisieren. Viele Kolleg*innen sind zwar unseren Aufrufen zu Aktionen gefolgt, haben sich beteiligt und auch gemerkt, dass das nicht mehr wie früher von den Einrichtungsleitungen sanktioniert wird. Allerdings könnten wir noch mehr gemeinsam erreichen, wenn noch mehr sich auch unserer ver.di anschließen und Mitglied werden. Wir nehmen uns dieser Aufgabe gern an und werden in den nächsten Monaten mit unseren Kolleg*innen darüber konkret sprechen – mit unserem guten Ergebnis als Rückenwind!
ver.di-Betriebsgruppe Stadtmission Heidelberg
Dieser Artikel ist im Kirchen.info Nr. 42 erschienen.