»Gemeinsam mit den Kirchen prüfen wir, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann. Verkündungsnahe Tätigkeiten bleiben ausgenommen.« So haben es SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt. Beschäftigte konfessioneller Betriebe und ihre Interessenvertretungen fordern nun, diesen Plan rasch in die Tat umzusetzen und daran nicht nur die Kirchen, sondern auch die Beschäftigten zu beteiligen.
»Wir bewerten es als einen wichtigen Fortschritt, dass die Regierungskoalition die kirchlichen Privilegien im Arbeitsrecht auf den Prüfstand stellen will«, heißt es in einem Forderungspapier des Kirchenfachrats von ver.di, dem aktive Gewerkschafter*innen aus Kirchen, Diakonie und Caritas angehören. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass eine Regierung per Koalitionsvertrag erklärt, sich des Themas annehmen zu wollen. Bislang handelt es sich lediglich um einen Prüfauftrag. Letztlich brauche es aber, so die Mitglieder des Kirchenfachrats, echten Veränderungswillen. Sie appellieren an die Bundesregierung, die Beschäftigten in den Diskussionsprozess einzubeziehen – nicht nur die Kirchenoberen. Denn: »Das Arbeitsrecht ist vor allem ein Arbeitnehmerschutzrecht. Es ist also zwingend erforderlich, dass diejenigen beteiligt werden, deren Rechte es zu stärken gilt: Unsere rund 1,8 Millionen Kolleg*innen in kirchlichen Betrieben. Sie werden durch ihre Gewerkschaft ver.di und ihre betrieblichen Interessenvertretungen repräsentiert.«
Die Autor*innen verweisen darauf, dass ein Großteil der betroffenen Beschäftigten in Wirtschaftsbetrieben von Diakonie und Caritas arbeiten. Diese finanzierten sich überwiegend nicht aus Mitteln der Kirchen, sondern aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Sie stünden in politisch gewollter Konkurrenz zu anderen Trägern, wobei ihnen das kirchliche Arbeitsrecht einen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Konfessionelle Träger profitierten »von einer schwächeren betrieblichen Mitbestimmung, der Abwesenheit von Unternehmensmitbestimmung, konfessionell begründeter Kündigungsmöglichkeiten auf Grundlage besonderer Loyalitätspflichten zu Lasten der Beschäftigten und der Einschränkung von Grundrechten, indem sie ein Streikverbot kirchlich verordnen«. Diese kirchlichen Privilegien im Arbeitsrecht müssten vom staatlichen Gesetzgeber ersatzlos abgeschafft werden. Insbesondere müssten die betriebliche und Unternehmensmitbestimmung sowie die individuellen Rechte der Beschäftigten gestärkt werden. Löhne und Arbeitsbedingungen sollten nicht länger auf kircheneigenem Sonderweg festgelegt werden, sondern ausschließlich über Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften.
Das meint auch die Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaften und Gesamtausschüsse der Mitarbeitervertretungen im diakonischen Bereich (buko ga+agmav), die rund 650.000 Beschäftigte diakonischer Einrichtungen vertritt. In einem Offenen Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die Regierungsfraktionen betont sie: »Die Abschaffung der kirchenrechtlichen Privilegien hinsichtlich des Arbeitsrechts, der betrieblichen Mitbestimmung und der Unternehmensmitbestimmung ist längst überfällig.« Die Autor*innen belegen den »großen Handlungsbedarf« mit etlichen Beispielen. Unter anderem hätten kirchliche Mitarbeitervertretungen weniger Durchsetzungsmöglichkeiten als Betriebsräte, es gebe keine verbindliche Unternehmensmitbestimmung und die Festlegung der Löhne und Arbeitsbedingungen in kircheninternen Arbeitsrechtlichen Kommissionen laufe auf »kollektives Betteln« hinaus.
Die buko verweist zudem darauf, dass die fehlende Zustimmung der Arbeitsrechtlichen Kommissionen von Caritas und Diakonie im vergangenen Jahr den flächendeckenden Tarifvertrag in der Altenpflege blockierte. »Mit ihrer Ablehnung haben Caritas und Diakonie bessere Arbeitsbedingungen für zehntausende Beschäftigte in tariflosen Unternehmen aktiv verhindert.« Dies zeige, dass sich die Sonderstellung der Kirchen auch sozialpolitisch Folgen habe. Sie hoffe, sie habe den Handlungsbedarf in Sachen kirchliches Arbeitsrecht mit diesen und weiteren Beispielen aufgezeigt, so die buko. Und auch sie mahnt die Beteiligung der Beschäftigtenvertretungen an der anstehenden Reformdebatte an: »Wir fordern einen transparenten Prozess unter Einbeziehung von uns Interessenvertretungen und der Gewerkschaft ver.di.«