»Ich bin nicht kirchenfeindlich«

04.07.2023

Die Hebamme Sandra Eltzner hat in einem Caritas-Krankenhaus gearbeitet und wurde gekündigt, weil sie vor Beginn des Arbeitsverhältnisses aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. Ihre Klage dagegen liegt derzeit beim Europäischen Gerichtshof.

 
Sandra Eltzner

Sie wehren sich vor Gericht gegen ihre Kündigung durch einen katholischen Krankenhausträger. Wie ist es dazu gekommen?

Ich hatte 20 Jahre als Hebamme in dem Haus gearbeitet – von 1994 bis 2014. Dann habe ich mich selbstständig gemacht. Zu dieser Zeit bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten. Als ich nach fünf Jahren Selbstständigkeit wieder als Festangestellte arbeiten wollte, habe ich bei meinem alten Arbeitgeber nachgefragt. Wie alle Krankenhäuser hat er Hebammen gesucht und mich sofort eingestellt. Nach meiner Religion hat niemand gefragt. Im Personalfragebogen habe ich wahrheitsgemäß angegeben, dass ich seit 2014 keine Religionszugehörigkeit mehr habe. Nachdem ich schon einen Monat gearbeitet hatte, musste ich plötzlich zum Personalchef. Der sagte, ich hätte zwei Möglichkeiten: Entweder ich trete wieder in die katholische Kirche ein oder ich werde gekündigt.

Warum haben Sie es sich nicht einfach gemacht und sind wieder in die katholische Kirche eingetreten?

Ich will mich nicht erpressen lassen. Ich habe die katholische Religion mit in die Wiege gelegt bekommen und bin immer noch religiös. Aber ich will kein Teil dieser Kirche mehr sein. Ich hatte ein tolles Gespräch mit dem Pfarrer des Hauses, der gegenüber der Geschäftsleitung schrieb, es wäre schade, wenn das Hospital eine solch religiös eingestellte Mitarbeiterin verlieren würde. Dennoch wurde ich kurz vor Ende der Probezeit gekündigt – angeblich eine Probezeitkündigung, tatsächlich aber eine Kündigung wegen der fehlenden Kirchenzugehörigkeit. Nur darum ging es auch bei der Anhörung der Mitarbeitervertretung.

Ihren – lange vor der Einstellung erfolgten – Austritt aus der katholischen Kirche wertet der Arbeitgeber als »kirchenfeindliches Verhalten«. Können Sie das nachvollziehen?

Ich bin ganz und gar nicht kirchenfeindlich. Jeder hat doch das Recht, in die Kirche ein- und auch wieder auszutreten. Das ist meine persönliche Entscheidung. Deshalb rede ich die Kirche noch lange nicht schlecht oder verhalte mich »kirchenfeindlich«. Auch nach meinem Austritt 2014 bin ich nicht herumgelaufen und habe allen erzählt, dass ich wegen der Missbrauchsfälle und dem Umgang der Kirche damit ausgetreten bin. Erst wegen der Kündigung bin ich gezwungen, das zu erklären. Als Hebammen beschützen wir Mutter und Kind. Ein kleiner Teil unserer Arbeit ist es, darauf zu achten, dass das Kindeswohl nicht gefährdet wird. Vor diesem Hintergrund kann ich es nicht akzeptieren, dass Kirchenleute Kinder missbrauchen und dafür nicht bestraft werden. Das ist für mich nicht christlich. Ich möchte kein Teil davon sein.

 
Sandra Eltzner

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat ihre Kündigungsschutzklage mit der Behauptung zurückgewiesen, das Verbot des Kirchenaustritts sei eine »gerechtfertigte berufliche Anforderung«.

Mein Beruf als Hebamme hat mit der Religion nichts zu tun. In schwierigen Situationen stehe ich den Eltern bei – völlig egal, welche Religion sie haben. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen meiner fachlichen Arbeit und der Religion. Übrigens arbeiten auch andere konfessionslose Hebammen in dem Haus. Der Arbeitgeber argumentiert, anders als meine atheistische Kollegin hätte ich mich bewusst dagegen entschieden. Dabei lehne ich mich nicht gegen die Kirche auf, sondern habe für mich persönlich eine Entscheidung getroffen. Ich bin weiterhin gläubig, nur bin ich nicht mehr Teil dieser Kirche. Und unabhängig davon, was ich glaube und was nicht, ist diese Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt. Alle Menschen müssen unabhängig von ihrem Glauben gleich behandelt werden.

Warum tun Sie sich einen jahrelangen Rechtsstreit an?

Ich finde das Vorgehen des Arbeitgebers einfach ungerecht. Religionszugehörigkeit hat mit Fachkompetenz rein gar nichts zu tun. Punkt. Da darf die Kirche nicht irgendwelche Sonderregeln haben. Es ist vielleicht gerechtfertigt, dass ein Religionslehrer, der den Glauben vermitteln soll, der Kirche angehört. Aber ich als Hebamme? Ich zeige den Frauen, wie sie am besten atmen, ihre Körperposition verändern, das Kind stillen oder Rückbildungsübungen machen. Der Glaube ist nicht mein Job.

Bei dem Gerichtsprozess geht es schon lange nicht mehr nur um mich. Am Anfang fand ich das nur ungerecht und wollte mir das nicht gefallen lassen. Inzwischen streite ich nicht mehr nur für mich, sondern für ganz viele andere. Es geht mir darum, dass die Menschen gleich behandelt werden – unabhängig von ihrer Religion. Wenn ich ein Urteil erreichen könnte, das dazu beiträgt, würde ich mich freuen.