»Nur mit Gewerkschaft«

Ein Interview mit Daniel Wenk, der künftig bei ver.di für Kirchen, Diakonie und Caritas zuständig ist.
28.05.2024
Daniel Wenk war Mitarbeitervertreter in der Diakonie Baden und ist künftig hauptamtlich für ver.di tätig.

Kircheninfo: Du setzt dich künftig als Gewerkschaftssekretär im ver.di-Bundesfachbereich für die Beschäftigten von Kirchen, Diakonie und Caritas ein. Wie kam es dazu?

Daniel Wenk: Mein Vorgänger, Mario Gembus, wird nach seiner Elternzeit künftig für ver.di in Bayern tätig sein, damit er näher bei seiner jungen Familie ist. Ich kann diese Entscheidung sehr gut nachvollziehen und freue mich für ihn, dass er mit seiner Frau seine Tochter ins Leben begleiten darf. Als mich die Nachricht Anfang August 2023 erreichte, war ich allerdings ziemlich baff. Meine Zusammenarbeit mit Mario ist in den letzten sechs Jahren immer intensiver geworden. Dank ihm und seiner zuverlässigen und kontinuierlichen Arbeit konnten wir für und mit den Beschäftigten kirchlicher Einrichtungen viel erreichen. Nicht zuletzt dank dieser Zusammenarbeit fühle ich mich gut gerüstet für diese herausfordernde neue Aufgabe.

 

Kannst du noch ein paar Infos zu dir geben?

Ich habe 1988 als Zivildienstleistender bei einer diakonischen Altenpflegeeinrichtung begonnen. Danach habe ich als gelernter Schreiner in der Betriebsschreinerei und später der Haustechnik gearbeitet. Seit 2004 engagiere ich mich im Gesamtausschuss Baden und seit 2011 in der ver.di-Bundesfachkommission Kirchen, Diakonie und Caritas. Zuletzt war ich Mitglied der Sprecher*innengruppe der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen und Gesamtausschüsse sowie Sprecher der ver.di-Projektgruppe Diakonie auf Bundesebene.

Bei meiner Tätigkeit in den überbetrieblichen Zusammenschlüssen der Mitarbeitervertretungen wurde gewerkschaftliches Handeln für mich immer wichtiger. Im weltlichen Bereich gibt es solche Zusammenschlüsse nur als Stufenvertretungen mit entsprechenden Mitbestimmungsmöglichkeiten. Die Zusammenschlüsse der kirchlichen MAVen bewegen sich im kirchlichen Arbeitsrecht hingegen im Spielfeld der Gewerkschaften – das ist kein Zufall und von den Kirchenleitungen so gewollt. Für mich wurde zunehmend klar: Wenn ich in diesen Gremien unterwegs bin, dann nur mit möglichst viel gewerkschaftlichem Handeln, sonst schade ich den Beschäftigten, da ich Gewerkschaften als überflüssig erscheinen lasse. Doch kollektive Macht zu entwickeln, geht nur mit der Gewerkschaft.

Die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas sind mit insgesamt 1,8 Millionen Beschäftigten nach dem öffentlichen Dienst der größte Arbeitgeber in Deutschland. Eine großes Feld, das es zu bearbeiten gilt.

Das ist richtig. Zum Glück muss ich diese Aufgabe nicht alleine bewältigen. ver.di ist eine große Solidargemeinschaft mit fast zwei Millionen Mitgliedern und Gewerkschaftssekretär*innen mit viel fachlicher Expertise im Gesundheits- und Sozialwesen, in Bildung und Wissenschaft. Es muss darum gehen, die Bedingungen in diesen Branchen voranzubringen. ver.di ist dabei keine fremde Macht von außen. Gemeinsames Handeln ist das Mittel, mit dem auch kirchlich Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen verbessern können. Entscheidend ist die Durchsetzungs- und Mobilisierungsfähigkeit im Betrieb. Dort liegt das Zentrum gewerkschaftlichen Handelns, dort wird ver.di sichtbar. Aus der Bundesverwaltung und den Landesbezirken wird die Arbeit koordiniert. Umgesetzt wird sie von den Beschäftigten im Betrieb, mit Unterstützung der Gewerkschaftssekretär*innen vor Ort. Kirchlich Beschäftigte wollen sich genauso an der Aufwertung ihrer Arbeitsbedingungen beteiligen wie andere Beschäftigte auch.

Kirchlich Beschäftigte wollen sich beteiligen, wo siehst du das?

Die Beteiligung kirchlich Beschäftigter an der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes im vergangenen Jahr war für mich eine prägende Erfahrung. Unter dem Eindruck der Corona-Pandemie und der hohen Inflation haben die Beschäftigten bei Bund und Kommunen im Frühjahr 2023 einen richtig guten Tarifabschluss erkämpft. In Baden-Württemberg und der Pfalz haben in dieser Tarifauseinandersetzung hunderte von kirchlich Beschäftigten aus dem Dritten Weg heraus gestreikt. Dabei hat ver.di nur ganz gezielt dort aufgerufen, wo wir in kirchlichen Betrieben Ansprechpersonen hatten, die Lust hatten, sich mit ihren Kolleg*innen an der Tarifrunde zu beteiligen. Der Zuspruch war enorm.

ver.di hat in Kooperation mit dem Gesamtausschuss in Baden ein Beteiligungsprojekt durchgeführt. Dabei wurden 1.516 Beschäftigte nach ihren Themen befragt und ob sie an Veränderungen mitwirken möchten. Am wichtigsten ist vielen, Regelungen zu Personalausfall ohne belastendes Einspringen zu treffen. Der Druck in den Betrieben ist groß und die Bereitschaft aktiv zu werden ist hoch. Wir haben im Projekt erlebt, dass durch kollektives Handeln sogar recht schnell Lösungen erreicht werden konnten. Für manche Themen braucht es hingegen einen langen Atem. Tarifliche und betriebliche Verbesserungen lassen sich durch gewerkschaftliches Handeln erzielen, wenn wir gemeinsam Veränderungsdruck erzeugen.

Auch in kirchlichen Einrichtungen können Beschäftigte also selbst ihre Zukunft gestalten?

Auf jeden Fall, das ist möglich. Das kirchliche Arbeitsrecht erschwert es den Beschäftigten zwar, sich für ihre Interessen stark zu machen. Aber Tarifverträge im kirchlichen Bereich sind auf dem Vormarsch. Die Arbeitsrechtssetzung in den Hinterzimmern des Dritten Wegs ist ein Auslaufmodell. Die Beschäftigten wurden nie gefragt, ob sie das wollen, und holen sich immer mehr ihre Macht zurück. Das ist gut so!

Ist das die Zukunft: Tarifverhandlungen und volle Mitbestimmung auch in kirchlichen Betrieben?

Ganz klar: ja. Ich habe die Schwächen der kirchlichen Mitbestimmung und der Arbeitsrechtssetzung lange Jahre miterlebt und miterlitten. Wenn die Kirchen ihre Beschäftigten schlechterstellen, ihnen immer noch grundlegende Rechte absprechen, schadet das allen. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände in der Bundesrepublik ein eigenes Arbeitsrecht geschaffen, mit schwächeren Mitbestimmungsregeln und dem sogenannten Dritten Weg, der ihnen einen enormen Wettbewerbsvorteil verschafft – zulasten der Beschäftigten. Dass sie zur Rechtfertigung den von den Nationalsozialisten geprägten Begriff der Dienstgemeinschaft verwenden, lässt tief blicken.

Wir leben im Jahr 2024. Das kirchliche Sonderarbeitsrecht ist längst nicht mehr zeitgemäß. Der staatliche Gesetzgeber muss handeln und das Sonderrecht abschaffen. Kirchliche Arbeitgeber bedürfen keines besonderen Schutzes vor ihren eigenen Beschäftigten. Dafür werde ich mich, nun in neuer Rolle, weiter mit aller Kraft einsetzen.