Anders als bei vielen anderen kirchlichen Trägern sind Tarifverhandlungen für die rund 38.000 Beschäftigten der niedersächsischen Diakonie inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Dabei wird nicht nur über die Lohnhöhe verhandelt. Auch komplexe Weiterentwicklungen des seit 2014 bestehenden Tarifwerks sind möglich, wie die im November 2023 abgeschlossene Tarifrunde gezeigt hat. Neben allgemeinen Entgeltsteigerungen beinhaltet das Ergebnis Veränderungen bei der Eingruppierung und der Tabellenstruktur, die insbesondere Kolleg*innen in an- und ungelernten Tätigkeiten besserstellen. Hinzu kommen höhere Zulagen für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst und in der Pflege, ein Zuschlag bei kurzfristigem Einspringen von mindestens 100 bis 120 Euro, ein zusätzlicher Urlaubstag zur Entlastung sowie die Möglichkeit zum Fahrradleasing und ein Zuschuss zum Nahverkehrsticket.
»Wir hatten noch nie einen so hohen Tarifabschluss und noch nie eine so starke soziale Komponente«, bilanziert der Heilerziehungspfleger Tobias Warjes, der sich in der Tarif- und Verhandlungskommission von ver.di engagiert. »Wir waren uns mit den Arbeitgebern einig, dass vor allem die unteren Lohngruppen deutlich aufgewertet werden müssen – das ist uns gelungen.« Erreicht wurde dies unter anderem durch die Streichung der untersten Entgeltgruppen und die damit verbundene Höhergruppierung ungelernter Beschäftigter. Hinzu kommen zusätzliche Erfahrungsstufen und kürzere Stufenlaufzeiten. »Auf diesen Verbesserungen setzen die allgemeinen Lohnerhöhungen von 5,5 Prozent im April 2024 und weiteren 4,5 Prozent im Februar 2025 auf, so dass Beschäftigte in der untersten Gruppe bis zu 25 Prozent mehr bekommen als bisher«, erklärt Tobias Warjes. »Das ist ein toller Erfolg, war aber auch bitter nötig angesichts von Einkommen, die zum Teil kaum höher als der gesetzliche Mindestlohn waren.«
Nicht nur die Inhalte, auch die Formen der Tarifbewegung in der niedersächsischen Diakonie haben sich weiterentwickelt. »Über eine Postkartenaktion haben wir bereits bei der Aufstellung unserer Forderungen eine breite Beteiligung organisiert«, berichtet Tobias Warjes. Auch während der Verhandlungen setzte ver.di auf Transparenz. Nach jeder Verhandlungsrunde wurden zeitnah die Tarifbotschafter*innen informiert, die sich aus vielen Einrichtungen gemeldet hatten. Auch über Social Media wurden kurzfristig Angebote und Verhandlungsstände verbreitet.
Ein Ergebnis ist zum Beispiel das Fahrradleasing, das auf vielfachen Wunsch von Beschäftigten mit einer guten Zuschussregelung vereinbart wurde. Neben Lohnerhöhungen forderten etliche Kolleg*innen auch Maßnahmen zur Entlastung, zum Beispiel durch Arbeitszeitverkürzung. »Bei diesem Thema wollten die Arbeitgeber partout keine weitergehenden Vereinbarungen treffen, das ist der Wermutstropfen unseres Tarifabschlusses«, erklärt Tobias Warjes. Immerhin gebe es ab 2025 jährlich einen zusätzlichen Urlaubstag, wovon alle Berufsgruppen profitierten. Das bringe etwas Entlastung, sei aber nicht ausreichend, findet der Gewerkschafter. »Es hätte der Diakonie gut zu Gesicht gestanden, beim Thema Entlastung und Arbeitszeitverkürzung voranzugehen. Ansonsten kann sich der Tarifvertrag aber durchaus sehen lassen.«
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Von Daniel Behruzi