Kirchliche Arbeitgeber liefern immer neue Argumente für die Abschaffung des besonderen kirchlichen Arbeitsrechts. Gerade erst hat die Caritas durch ein sogenanntes Anerkenntnisurteil verhindert, dass der Fall der wegen Kirchenaustritts gekündigten Hebamme Sandra Eltzner vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landet. Nun muss sich das Gericht in Luxemburg doch mit der Frage auseinandersetzen, ob konfessionelle Arbeitgeber Beschäftigte kündigen dürfen, weil diese aus der Kirche ausgetreten sind. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat Anfang Februar 2024 den Fall einer Sozialpädagogin dem EuGH vorgelegt, die von einem katholischen Verein für Schwangerschaftsberatung fristlos entlassen wurde, weil sie während ihrer Elternzeit aus der Kirche ausgetreten war.
Die Beratung der Schwangeren erfolge konfessionsneutral, betonte die Sozialpädagogin, die über sechs Jahre bei dem katholischen Verein tätig war. Sie selbst berate größtenteils muslimische Frauen und habe ausdrücklich keinen Missionsauftrag. Dennoch forderte der Arbeitgeber sie ultimativ auf, wieder Kirchenmitglied zu werden. Als sie dies ablehnte, kündigte er mit der Begründung, der Austritt stelle eine »schwerwiegende Loyalitätsverletzung« dar. Vor dem Wiesbadener Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Frankfurt erlitt der katholische Träger damit eine Bauchlandung (LAG Frankfurt Urteil vom 1.3.2022, Az.8 Sa 1092/20).
Das LAG sah keinen relevanten Verstoß gegen die Loyalitätspflichten. Die Kündigung widerspreche dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), denn andere Beschäftigte müssten nicht der katholischen Kirche angehören. Zum betreffenden Zeitpunkt waren zwei der vier Kolleginnen in der Beratungseinrichtung Mitglied der evangelischen, nicht der katholischen Kirche. In der Anzeige zur Neubesetzung der Stelle hieß es zudem lediglich, es werde eine Person gesucht, die »in der Regel der katholischen Kirche« angehört.
Dies zeigt die Willkür, die auch nach Reform der Grundordnung in der katholischen Kirche fortbesteht. Laut dieser kann von einer Kündigung zwar »ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen«. In der Regel sollen die Betroffenen aber ihren Job verlieren. Und auch in der evangelischen Kirche kann der Kirchenaustritt laut neuer Mitarbeitsrichtlinie weiterhin zum Arbeitsplatzverlust führen. Statt die Situation zu verbessern, würden mit der im Januar 2024 veröffentlichten Richtlinie »neue rechtliche Unsicherheiten geschaffen, wenn künftig die einzelnen Träger definieren könnten, welchen Beschäftigten besondere Loyalitätspflichten abverlangt werden dürfen und welchen nicht«, kritisiert der ver.di-Kirchenfachrat in einer Stellungnahme. Insgesamt zeige der nur auf Druck von außen zustande gekommene Beschluss, dass Evangelische Kirche und Diakonie keinen inneren Reformwillen haben und ihren Sonderstatus im Arbeitsrecht unbedingt erhalten wollen.
Die Konsequenz daraus muss sein, den öffentlichen Druck weiter zu erhöhen – nicht nur auf die Kirchen, sondern vor allem auf den staatlichen Gesetzgeber. Dieser muss die Sonderregeln im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und im Betriebsverfassungsgesetz beseitigen, so die Stoßrichtung einer von ver.di-Aktiven initiierten Petition, der sich bereits 34.000 Menschen angeschlossen haben.
Am 5. März 2024 werden die Unterschriften bei einer Protestaktion in Berlin an das Bundesarbeitsministerium übergeben. SPD, Grüne und FDP sollen dazu aufgefordert werden, dass kirchliche Arbeitsrecht nicht nur, wie im Koalitionsvertag vereinbart, zu »überprüfen«, sondern es gänzlich abzuschaffen. »Handeln – Jetzt!«, so das Motto der Aktion. Mit der fortgesetzten Diskriminierung von Beschäftigten liefern kirchliche Arbeitgeber immer neue Belege dafür, wie dringend das ist.