Aktiv für den Tarifvertrag

Am Sophien- und Hufelandklinikum Weimar haben sich hunderte Beschäftigte in ver.di organisiert, um Schluss zu machen mit kollektivem Betteln.
23.05.2024

Mathias Korn hat es versucht. Vor einigen Jahren arbeitete der Fachkrankenpfleger aus dem Sophien- und Hufelandklinikum Weimar in der Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK) Mitteldeutschlands mit. Er und seine Mitstreiter*innen machten konkrete Vorschläge, wie die diakonischen Einrichtungen in der Region für Beschäftigte attraktiver werden könnten. Doch die Arbeitgeber wischten die Forderungen allesamt vom Tisch. Die von ihnen 2021 einseitig getroffenen Beschlüsse bescherten den Beschäftigten stattdessen drastische Reallohneinbußen. Weitere Entscheidungen der Kommission, vor allem über bei Weitem unzureichende Inflationsausgleichszahlungen, vergrößerten den Frust unter den Beschäftigten noch. »Am Sophien- und Hufelandklinikum haben wir daraus den Schluss gezogen, dass wir auf dem sogenannten Dritten Weg nicht weiterkommen. Wir brauchen Tarifverträge«, erklärt Mathias Korn, der sich in der Mitarbeitervertretung und bei ver.di engagiert.

In der Belegschaft findet diese Haltung breite Unterstützung, was sich darin niederschlägt, dass sich die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder innerhalb weniger Monate vervielfacht hat. 370 der insgesamt rund 850 Kolleg*innen des Weimarer Klinikums haben sich ver.di angeschlossen – ein Organisationsgrad, der sich auch im Vergleich zu anderen Krankenhäusern sehen lassen kann. Mit diesem Mandat hat ver.di die Klinikleitung zu Tarifverhandlungen aufgefordert. Man habe ein »am Leitbild der Dienstgemeinschaft orientiertes Arbeitsrechtsregelungsverfahren«, hieß es in der Ende März übermittelten Antwort der Arbeitgeberin. Als Mitglied des Diakonischen Werks könne das Klinikum keinen Tarifvertrag vereinbaren. »Diese Reaktion ist bei unseren Kolleginnen und Kollegen nicht gut angekommen«, berichtet Mathias Korn. »Sie erwarten, dass sich endlich etwas ändert. Dafür müssen sich die Klinikleitung, aber auch Kirche und Diakonie bewegen.«

 

Kirchliche AVR sind unverbindlich

Denn unter den aktuellen Bedingungen werde es immer schwerer, genug Personal zu gewinnen und dauerhaft zu halten. Insbesondere langjährige Beschäftigte seien gegenüber dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) deutlich schlechter gestellt. Mathias Korn kritisiert zudem, dass die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien unverbindlich sind – anders als Tarifverträge, die quasi Gesetzescharakter haben. »Wir wollen tarifliche Vereinbarungen, die zwingend gelten und über die wir auf Augenhöhe verhandeln«, stellt der Krankenpfleger klar. »Es muss Schluss sein mit kollektivem Betteln. Dafür braucht es ver.di.«

Beschäftigte sind aktionsbereit

Die von den Gewerkschaftsmitgliedern gewählte Tarifkommission will der Klinikleitung noch eine Chance geben. Sie soll ein weiteres Mal zu Verhandlungen aufgefordert werden. »Gibt es bis zum 10. Mai keine positive Reaktion, werden wir zu Aktionen aufrufen«, kündigt der ver.di-Sekretär Hannes Gottschalk an. »Wir werden nicht sofort streiken, denn das ist auch in Tarifverhandlungen nur das letzte Mittel, wenn sich anders nichts bewegt«, betont der Gewerkschafter. »Aber die Arbeitgeberin sollte sich keine Illusionen machen: Die Beschäftigten am Sophien- und Hufelandklinikum sind bereit, sich aktiv für ihre Belange einzusetzen.«