Seit zwanzig Jahren besteht für die Beschäftigten der Diakonie in Schleswig-Holstein und Hamburg ein Tarifvertrag mit einer speziellen Geschichte. 2002 unterschrieben Vertreter*innen von ver.di und einige Vertreter*innen diakonischer Einrichtungen den Kirchlichen Tarifvertrag Diakonie (KTD). Zunächst galt der Tarifvertrag lediglich für ungefähr 3.000 Arbeitnehmer*innen. Heute, nach zwanzig Jahren Tarifpartnerschaft, vielen Diskussionen, gewerkschaftlichen Aktivitäten und auch Arbeitskämpfen wirkt der KTD für etwa 30.000 Arbeitnehmer*innen.
Arnold Rekittke im Interview, ver.di Verhandlungsführer für den KTD
Seit wann bist du hauptamtlich verantwortlich für diesen Tarifbereich?
Ich habe den Tarifbereich nach der Tarifrunde 2009 übernommen. Also betreue ich den Bereich seit nunmehr 13 Jahren.
Die Tarifverhandlungen in der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie sind ja nicht unbedingt vergleichbar mit denen in anderen Tarifbereichen im Gesundheits- und Sozialwesen. Welche Besonderheiten gibt es?
Die Besonderheit ist die Durchsetzung von Streiks. In der Diakonie allgemein und ganz besonders im Bereich des KTD. Wir haben ab 2010 damit begonnen die Beschäftigten zu sensibilisieren, dass sie „normale" Beschäftigte sind, denen die gleichen Rechte zustehen, wie in nichtkirchlichen. Und wir haben in Hamburg dann in der Folge auch Streiks in diakonischen Einrichtungen durchgeführt. Sie alle führten in eine Tarifvertragsbindung. Das Diakonie Klinikum Hamburg wurde so in den Geltungsbereich des KTD gebracht und für das Albertinenkrankenhaus/Albertinenhaus konnten wir einen Haustarifvertrag oberhalb des TVöD erstreiten. Im KTD haben wir die Besonderheit, dass es eine tarifvertragliche besondere Friedenspflicht gab. Diese konnten wir vor zwei Jahren dahingehend öffnen, dass wir das Niedersächsische Schlichtungsmodell und damit ein offenes Ende mit Streikmöglichkeit übernommen haben.
Welche inhaltlichen zu bearbeitenden Problemfelder gibt es im KTD?
Die Jahresarbeitszeit und die damit einhergehenden Regelungen sind Flexibilisierungsmöglichkeiten der Arbeitgeber*innen, die nicht gut für die Beschäftigten sind. Dieses dicke Brett muss dringend gebohrt werden. Und bei den Fachkräften ist der Gehaltsabstand zu groß. Hier waren wir als ver.di in den letzten Jahren in den Vergleichstarifverträgen (so z.B. in der Tarifrunde im öffentlichen Dienst für den Bereich Sozial- und Erziehungsdienst oder für die Pflege bei PFLEGEN & WOHNEN HAMBURG) sehr erfolgreich. Das müssen wir nun im KTD nachholen.
Welche Erfahrungen gibt es aus den letzten Jahren insbesondere in der Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen in der Tarifkommission?
Der KTD ist ein Flächentarifvertrag. Dies sorgt dafür, dass Abstimmungsprozesse manchmal etwas langsamer gingen, wie gewünscht. Aber hier hat der Digitalisierungsschub durch die Coronapandemie geholfen, schnellen Austausch und Informationstransfer zu gewährleisten.
Eine weitere Besonderheit der Tarifarbeit in der Nordkirche ist das praktische gemeinsame verhandeln in mit der sogenannten "Kirchengewerkschaft". Problematisch oder notwendig, weil historisch so gewachsen?
Sowohl als auch. Wir sind konkurrierende Organisationen. Wobei ich fest davon ausgehe, dass ver.di mehr Mitglieder hinter sich hat. Aber wenn wir in den Verhandlungen wie Konkurrenten vor den Arbeitgeber*innen auftreten, hilft das ausschließlich den Arbeitgeber*innen, die uns schon häufig gegeneinander ausspielen wollten.
Welche Highlights in der Tarifarbeit gab es bislang im Bereich des KTD?
Wir konnten in den Jahren, in denen ich den Tarifbereich betreue, gute Tarifabschlüsse erreichen und in den meisten Fällen den Abstand zum TVöD deutlich verringern. Und natürlich ist es von grundsätzlicher Bedeutung, dass es uns gelungen ist, die absolute Friedenspflicht zu kippen. Das wird für die Zukunft bzw. zur Weiterentwicklung des KTD wichtig sein.
Was soll zukünftig noch erreicht werden, welche Ziele will ver.di im KTD künftig erreichen?
Unsere Ziele sind: Entlastung tarifieren, Arbeitszeit absenken, klare Überstundenregelungen einführen und die Gehälter der Fachkräfte auf dem Niveau der vergleichbaren Tarifverträge zu tarifieren.
veröffentlicht/aktualisiert am 26. April 2022