Als sich die Beschäftigten der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) auf den Weg machten, eine Vereinbarung für mehr Personal und Entlastung durchzusetzen, war die leitende Ergotherapeutin in der Psychiatrie, Maria Graul, zunächst skeptisch. Doch sie ließ sich mitreißen, machte beim Bildungsurlaub zur Vorbereitung der Tarifbewegung mit, engagierte sich bei den Teamdelegierten und in der ver.di-Tarifkommission. Bereut hat sie das nicht – ganz im Gegenteil.
»Wir haben eine eigene Stimme bekommen«, bilanziert die Therapeutin die vergangenen, extrem intensiven Wochen. »Wir selbst nehmen jetzt Einfluss darauf, wie wir arbeiten und eine gute Versorgung sicherstellen.« Ergebnis ist eine zwischen ver.di und Klinikleitung am 24. Oktober geschlossenen Eckpunktevereinbarung, die bereits zum 1. Januar 2025 in Kraft tritt. Sie legt schicht- und bereichsgenau fest, wie viele Beschäftigte eingesetzt werden müssen. Liegt die tatsächliche Besetzung unter diesem Niveau, erhalten die Betroffenen einen Belastungspunkt. Gleiches gilt bei anderweitig belastenden Situationen, zum Beispiel tätlichen Übergriffen oder kurzfristigen Dienstplanänderungen. Jeweils sieben Belastungspunkte ergeben eine Freischicht. 2025 können bis zu zehn zusätzliche freie Tage genommen werden, 2026 bis zu zwölf und ab 2027 bis zu 14 Tage. Darüberhinausgehende Ansprüche werden in die Folgejahre übernommen.
Erreicht haben die MHH-Kolleg*innen das mit viel Engagement und Ausdauer. Allein 2024 organisierten sich über 900 Beschäftigte neu in ver.di. Hunderte beteiligten sich nicht nur an Demonstrationen und Warnstreiks, sondern auch direkt an den Verhandlungen. »An jeder Verhandlungsrunde nahmen Dutzende Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen teil, um die es gerade ging«, erläutert der Pflegefachmann Yannick Thiele von der ver.di-Tarifkommission. »Dadurch hatten wir so viel Know-how, das war eine unglaubliche Stärke gegenüber dem Arbeitgeber.« Am Anfang hätten sich manche nicht getraut, aber irgendwann sei es normal geworden, die eigenen Belange direkt gegenüber der Klinikleitung zu vertreten. »Die Leute haben sehr viel Selbstbewusstsein gesammelt. Und die Erfahrung, dass man mit seinen Sorgen und Problemen nicht allein ist, sondern dass es anderen genauso geht und wir zusammen etwas verändern können.«
Teamdelegierte bleiben aktiv
Richtig gut findet Yannick Thiele, dass sich die Teamdelegierten auch in Zukunft weiter treffen, wofür sie laut Vertrag teilweise von der Arbeit freigestellt werden. »Die enge Anbindung an die Teamdelegierten ist entscheidend, um eine gute Umsetzung der Vereinbarung zu gewährleisten«, ist der 24-jährige Krankenpfleger überzeugt. Die Fachkinderkrankenschwester Maren Bohlmann hofft darauf, dass so auch »dieses wahnsinnige Wir-Gefühl« erhalten bleibt, das sich in der Belegschaft im Zuge der Auseinandersetzung entwickelt hat. »Wir lassen uns nicht mehr alles gefallen, endlich müssen sie uns ernst nehmen – ich bin einfach nur glücklich, dass wir das geschafft haben.«