Kleinstadt mit Großdemo

1.200 Menschen protestieren in Angermünde gegen die Schließung der örtlichen Akutklinik. Wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser so schlecht wie nie.
29.12.2024

Die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser ist so schlecht wie nie. Das belegt eine kurz vor dem Jahreswechsel veröffentlichte Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts, wonach 79 Prozent der Kliniken 2024 voraussichtlich mit einem Verlust abschließen werden. 65 Prozent gehen davon aus, dass sich ihre wirtschaftliche Lage 2025 weiter verschlechtert. »Krankenhäuser sind wegen der Defizitlage gezwungen, Einschnitte in der Patientenversorgung vorzunehmen ohne dass dies noch mit der Krankenhausplanung der Länder abgestimmt werden kann«, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß. Ein Beispiel dafür ist das kommunalen Krankenhaus Angermünde, das in ein ambulantes Versorgungszentrum umgewandelt werden soll. Kurz vor Weihnachten gingen über 1.200 Menschen dagegen auf die Straße – die größte Demonstration, die die Kleinstadt in der Uckermark seit vielen Jahren gesehen hat.

 
Demonstration gegen Krankenhausschließung am 19. Dezember 2024 in Angermünde

»Das ist ein deutliches Zeichen an die politisch Verantwortlichen in Bund, Land und Kommune: Die Menschen in der Region kämpfen um den Erhalt ihrer Gesundheitsversorgung«, erklärte Ivo Garbe von der Gewerkschaft ver.di, die den Protest am Donnertagabend (19. Dezember 2024) gemeinsam mit der Angermünder Bürgermeisterin Ute Erhardt (parteilos) und anderen auf die Beine gestellt hat. Die Lokalpolitikerin kündigte an, alle Beteiligten an einen Runden Tisch zu bringen, um »mit größtmöglicher Akzeptanz die beste Lösung zu finden«. Keine Akzeptanz jedenfalls findet in der Bevölkerung das Sanierungskonzept der Gesellschaft Leben und Gesundheit (GLG), die die Krankenhäuser im Auftrag der Landkreise Barnim und Uckermark sowie der Stadt Eberswalde betreibt.

 
Demonstration gegen Krankenhausschließung am 19. Dezember 2024 in Angermünde

Demnach soll die stationäre Versorgung in der Inneren Medizin – neben Psychiatrie und Psychotherapie der zweite Schwerpunkt der Klinik Angermünde – eingestellt werden. Intensivstation und Rettungsstelle sollen ebenfalls geschlossen, das Krankenhaus zu einer reinen Fachklinik für Psychiatrie geschrumpft werden. Der stellvertretende ärztliche Direktor, der Psychiatrie-Facharzt Lorenz Gold, erklärte bei Kundgebung, ohne Innere Medizin und Intensivstation könne auch die psychiatrische Notfallversorgung nicht gemäß den Zielen der Psychiatrie-Reform gewährleistet werden. »Innere und Psychiatrie in Angermünde sind zwei Teile eines Ganzen«, sagte er unter großem Applaus. »Die Entscheidung, ob die Innere Klinik als Partnerin der Psychiatrischen erhalten bleibt, darf keine wirtschaftliche, sondern muss eine medizinische sein.«

 

Auch die Sozialarbeiterin Ulrike Schmoldt, die sich in der ver.di-Tarifkommission engagiert, betonte: »Die Kombination aus Innerer Medizin und Psychiatrie ist ein Zukunftskonzept ganzheitlicher medizinischer Versorgung«. Ein Gesundheitswesen, das nur ökonomischen Zwecken diene, koste Menschenleben, warnte die Gewerkschafterin und forderte: »Keine Rückkehr in die Zeit der Anstaltspsychiatrie!« Der Betriebsratsvorsitzende Jörn Liefke nannte die bisherige Kommunikation der GLG-Spitze mit den Beschäftigten »eine Katastrophe«. Wegen der unsicheren Lage verließen schon jetzt viele Fachkräfte die Häuser. »Und wer mal weg ist, kommt nicht wieder.«

 
Demonstration gegen Krankenhausschließung am 19. Dezember 2024 in Angermünde

Der Belegschaftsvertreter forderte die Verantwortlichen zu einem ernsthaften Dialog mit den Beschäftigten auf. Die Landrätin Karina Dörk (CDU) betonte, noch sei nichts endgültig entschieden. Sie werde sich im GLG-Aufsichtsrat dafür einsetzen, »das, was möglich ist, für diese Kliniken herauszuholen«. Der ver.di-Sekretär Ivo Garbe erklärte daraufhin, man nehme die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende beim Wort. Zugleich stellte er klar, dass der Protest weitergeht. Auch der Bürgermeister von Prenzlau, Hendrik Sommer (parteilos), kündigte an, zu einer großen Demo in der Kreisstadt aufzurufen. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sich die Krankenhäuser bundesweit befinden, dürften es nicht die einzigen Proteste für den Erhalt einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung bleiben.

 

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