Bei Medizinischen Versorgungszentren – kurz MVZ – steht häufig der Profit im Mittelpunkt. Dieser Kostendruck wirkt sich negativ auf Arbeitsbedingungen und Löhne aus, wie eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung aufzeigt. Demnach klagen viele nichtärztliche Beschäftigte über schlechte Bezahlung und Arbeitsverdichtung mit vielen Überstunden. Oft verdienten sie weniger als bei einer vergleichbaren Tätigkeit im Krankenhaus, heißt es in der Branchenanalyse. Nur selten werde nach Tarifvertrag bezahlt – selbst wenn das Medizinische Versorgungszentrum einem Krankenhaus gehört und dort ein Tarifvertrag gilt. "Damit muss Schluss sein", fordert die zuständige ver.di-Sekretärin Cordula Kiank. Die Kolleginnen und Kollegen gehörten in diesen Fällen selbstverständlich zur Klinikbelegschaft – und für sie müssten die gleichen Bedingungen gelten wie für alle anderen. Generell gelte: "Ziel der Medizinischen Versorgungszentren darf einzig und alleine eine bestmögliche Versorgung sein. Voraussetzungen dafür sind gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung."
Die 100-seitige Studie betont, dass Medizinische Versorgungszentren an Bedeutung gewinnen. Die Politik habe die Einrichtung vor knapp 20 Jahren ermöglicht, um die ambulante Versorgung in Deutschland auszubauen und die Kosten im Gesundheitswesen zu senken. Die Zentren werden unter anderem von Krankenhäusern, Praxisnetzwerken, gemeinnützigen Trägern oder Kommunen gegründet. Doch auch Finanzinvestoren haben Medizinische Versorgungszentren als lukrativen Markt entdeckt. Die Branchenanalyse kommt zu dem Ergebnis, dass in den vergangenen Jahren ein Konzentrationsprozess zu beobachten ist: Einzelne Zentren werden aufgekauft und zu Ketten zusammengeschlossen. Diese Entwicklung wird von internationalen Finanzinvestoren wie Private-Equity-Gesellschaften vorangetrieben, aber auch private Kliniken und börsennotierte Gesundheitskonzerne tragen dazu bei. Speziell die Finanzinvestoren veräußerten die Medizinischen Versorgungszentren nach vier bis fünf Jahren wieder oder brächten sie an die Börse, heißt es in der Studie. Sie strebten deshalb danach, Kosten zu senken und Erlöse zu steigern. "Diesem Treiben gilt es, einen Riegel vorzuschieben", betont Cordula Kiank von ver.di. "Es muss verhindert werden, dass Gewinne aus den Medizinischen Versorgungszentren abgezogen werden."
Die Studie führt an, dass heute zwar nur noch zugelassene Ärzt*innen, Krankenhäuser und andere anerkannte Träger ein MVZ gründen dürfen. Finanzinvestoren umgingen diese Regelung jedoch, indem sie – zum Teil über verschachtelte Tochtergesellschaften – kleinere Krankenhäuser aufkauften, um so in Besitz der Medizinischen Versorgungszentren zu gelangen. "Die Politik muss dringend handeln, damit die Häuser auch nicht durch die Hintertür in die Hände von Finanzinvestoren mit Profitinteressen fallen", sagt die Gewerkschafterin. Ein großes Problem sei, dass die Eigentümerstrukturen völlig intransparent seien. Häufig sei gar nicht klar, wer dahinterstecke. So seien auch Konzentrationsprozesse schwer zu erkennen. Cordula Kiank fordert, dass der Gesetzgeber dringend für Transparenz sorgen muss.
Der Branchenanalyse zufolge ist eine verstärkte Abwanderung von Fachkräften aus den MVZ zu beobachten. Insbesondere im medizinisch-technischen Dienst herrsche Fachkräftemangel. In der Folge würden Beschäftigte in den nichtärztlichen Bereichen teilweise in verschiedenen Fachrichtungen eingesetzt, ohne dass sie die erforderlichen Kenntnisse durch Fort- und Weiterbildungen erlangt hätten. „Um Fachkräfte für die hochqualifizierte Arbeit zu gewinnen, müssen die Bedingungen stimmen“, betont Cordula Kiank. Dafür ausschlaggebend sind Tarifverträge ebenso wie betriebliche Interessenvertretungen. Doch daran hapert es in den Medizinischen Versorgungszentren, wie die Studie aufzeigt: Arbeitnehmervertretungen gibt es bislang nur selten. "Medizinische Versorgungszentren sind grundsätzlich eine gute Sache", stellt die Gewerkschafterin klar. "Doch sie dürfen nicht Profitinteressen dienen, sondern müssen den Menschen zugutekommen." Dafür brauche es dringend bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne.
Hier der Link zum pdf der Studie
Zukäufe, Fusionen, Übernahmen und Weiterverkäufe: Detailliert listet auch der Autor Rainer Bobsin auf, welche Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren eigentlich wem gehören – und bringt etwas Licht in das unübersichtliche Marktgeschehen. Als Fazit seines aktuellen Beitrags "Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren: Private-Equity-Gesellschaften forcieren Konzentrations-, Internationalisierungs- und Digitalisierungsprozesse" fordert Bobsin, der sich seit vielen Jahren mit den Entwicklungen im Gesundheitssektor beschäftigt, die Offenlegung der Eigentumsverhältnisse. Die 18-seitige Analyse sei allen empfohlen, die tiefer in die Materie einsteigen möchten.
Hier der Link zum pdf.
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