Papiertiger bleibt Papiertiger

Verstöße gegen die Personalvorgaben in der Psychiatrie sollen nach Plänen des Gemeinsamen Bundesausschusses weiterhin keine Konsequenzen haben.
26.09.2023

Die verbindliche Umsetzung der Richtlinie »Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik« (PPP-RL) lässt weiter auf sich warten. Wie der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, am Dienstag (26. September 2023) bei der Jahrestagung der Aktion Psychisch Kranke e.V. Bonn ankündigte, sollen psychiatrische Einrichtungen zwei weitere Jahre nicht bestraft werden, wenn sie die Personalvorgaben nicht einhalten. Der G-BA, in dem Kliniken und Krankenkassen den Ton angeben, hatte die Sanktionen in den vergangenen Jahren bereits mehrfach verschoben. »Wir drehen uns im Kreis«, kritisierte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. »Die Sanktionen werden immer weiter aufgeschoben mit der Begründung, es gebe nicht genug Personal. Darunter leiden die Arbeitsbedingungen, was immer mehr Beschäftigte aus dem Beruf treibt und die Personalnot noch verschärft.«

 

Derzeit wird die PPP-RL flächendeckend unterlaufen, wie eine ver.di-Befragung von insgesamt 111 psychiatrischen Stationen mit fast 2.200 Betten belegt. Durchschnittlich werden die Vorgaben demnach nur zu 77 Prozent erfüllt. In kommerziell betriebenen Psychiatrien sind es sogar nur 69 Prozent. Zugleich sind die vorhandenen Betten nahezu vollständig ausgelastet. »Es ist gut und richtig, wenn Herr Hecken auf die Möglichkeiten zur Ausweitung ambulanter Behandlungen verweist. Wo das aus Patientensicht sinnvoll ist, sollten psychisch kranke Menschen ambulant versorgt werden«, betonte Bühler. »Das löst aber nicht die Personalnot – schon gar nicht kurzfristig. Für gute ambulante Angebote sind mehr, nicht weniger Beschäftigte erforderlich.«

Die Lösung des Problems liege vielmehr in besseren Arbeitsbedingungen. »In der Pflege könnten mindestens 263.000 Vollzeitstellen allein dadurch zusätzlich mit Fachkräften besetzt werden, dass Beschäftigte in ihren Beruf zurückkehren – wenn die Bedingungen stimmen«, erklärte Bühler mit Verweis auf die Studie »Ich pflege wieder, wenn…«. »So gelingt es, aus dem Teufelskreis von zu wenig Personal, schlechten Arbeitsbedingungen und Berufsflucht auszubrechen. Dafür braucht es bedarfsgerechte und auch wirksame Personalvorgaben.«

»Es verbietet sich, die Krise weiter auf dem Rücken der Beschäftigten und der psychisch kranken Menschen auszutragen«, erklärte die Gewerkschafterin. »Die PPP-RL darf nicht länger ein Papiertiger bleiben. Wenn sich Kliniken und Krankenkassen ihrer Verantwortung nicht stellen, muss die Bundesregierung eingreifen.«