Angestellte Psychologische Psychotherapeut/innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen (PP/KJP) fordern Anerkennung und angemessene Bezahlung für ihre verantwortungsvolle Arbeit. Das machten die rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Fachtagung, die in Kooperation von ver.di und Bundespsychotherapeutenkammer am 7. Dezember 2017 in Berlin stattfand, deutlich. »Wir erwarten, dass wir in den Betrieben endlich entsprechend unserer Qualifikation einen Platz finden – sowohl in den Tarifverträgen als auch in den gesetzlichen Regelungen«, betonte Heiner Vogel von der ver.di-Bundesfachkommission PP/KJP.
Während Psychotherapeut/innen den Ärztinnen und Ärzten im ambulanten Bereich mittlerweile weitgehend gleichgestellt sind, ist das bei den rund 20.000 angestellten Psychotherapeut/innen in Krankenhäusern, Reha-Kliniken und anderen Einrichtungen noch längst nicht der Fall. Um eine Approbation zu erhalten, durchlaufen PP und KJP nach dem Studium eine in der Regel mindestens fünfjährige Ausbildung. Sie haben also ein gleichwertiges Ausbildungsniveau wie Fachärzt/innen. Doch in der Bezahlung schlägt sich das nicht entsprechend nieder. 2017 konnte ver.di zumindest erreichen, dass Psychotherapeut/innen mit der neuen Entgeltordnung endlich als eigenständige Berufsgruppe im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvöD, kommunal) und damit in einem wichtigen Flächentarif anerkannt wurden.
Für den Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer, Dietrich Munz, war das ein wichtiger Schritt. »In Zukunft geht es nicht mehr darum, ob Psychotherapeuten im Tarifrecht vorgesehen sind, sondern nur noch um das Wie«, sagte er und fügte hinzu, Verbesserungen seien nur über Engagement zu erreichen – in den Kammern, betrieblichen Interessenvertretungen und in der Gewerkschaft ver.di. Dabei hätten die Institutionen unterschiedliche Aufgaben. »Die Kammern können keine Tarifforderungen stellen«, stellte Munz klar. »Wir können ver.di fachlich unterstützen, aber wir sind keine Tarifpartner.« Für eine bessere Bezahlung müssten sich die angestellten Psychotherapeut/innen in ver.di engagieren. Aus Sicht der Kammern referierte zudem der ehemalige Geschäftsführer der Landespsychotherapeutenkammer Hessen Johann Rautschka-Rücker. Thema war das Spannungsfeld zwischen Berufs-, Arbeits- und Sozialrecht sowie die Folgen für die betriebliche Mitbestimmung.
Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand verdeutlichte, dass die Gewerkschaft dann die besten tarifvertraglichen Erfolge hat, wenn sich viele Beschäftigte organisieren und aktiv werden. »Am Ende sind Tariffragen immer Machtfragen. Gute Argumente vorzubringen, reicht meist nicht.« Bühler betonte, dass ver.di an der Forderung festhalte, PP/KJP in die Entgeltgruppe 15 einzugruppieren – und sie damit Fachärzt/innen weitgehend gleichzustellen. Die Entgeltgruppe 14 in der neuen Entgeltordnung des TVöD festzuschreiben sei ein wichtiger Teilerfolg. Zuvor seien Psychologische Psychotherapeut/innen an kommunalen Kliniken vielfach in der Entgeltgruppe 13 gewesen. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen profitierten besonders von dem Verhandlungsergebnis – teilweise mit Gehaltserhöhungen von bis zu 800 Euro im Monat.
Die Bereichsleiterin Tarifpolitik im ver.di-Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen, Heike von Gradolewski-Ballin, hob hervor, dass Tarifverträge ein Mindestniveau festschreiben [Präsentation]. Es spreche nichts dagegen, wenn Kolleginnen und Kollegen versuchten, ihren Arbeitgeber davon zu überzeugen, dass eine höhere Eingruppierung angemessen sei. Bekanntlich sei das aber erheblich schwieriger als im Tarifvertrag kollektiv Verbesserungen durchzusetzen. »Wir sind noch nicht am Ziel, wir sind erst zufrieden, wenn die Gleichstellung mit Fachärzten erreicht ist«, bekräftigte die Tarifpolitikerin. In einigen Krankenhäusern habe ver.di das bereits durchgesetzt. Und auch bei den Verhandlungen über eine neue Entgeltordnung im Länder-Tarifvertrag TV-L wird das Thema eine Rolle spielen. »Klar ist aber: die Arbeitgeber zu bewegen, das schaffen wir nur mit Druck.«
Wie das gehen kann, berichteten Raphael Niebler und Harry de Maddalena von der Uniklinik Tübingen. An den vier baden-württembergischen Unikliniken haben sich die Psychotherapeut/innen in Ausbildung (PiA) vor einigen Jahren erfolgreich für eine Vergütung während der praktischen Tätigkeit eingesetzt. Mit Veranstaltungen, Unterschriftensammlungen und Flashmobs setzten sie die Klinikleitungen so sehr unter Druck, dass diese nach weniger als einem Jahr einen Tarifvertrag für PiAs unterschrieben. Statt zwischen 200 und 400 Euro bekämen die Ausbildungsteilnehmer/innen jetzt 1.090 Euro im Monat, bei einer 26-Stunden-Woche. »Das zeigt: Wenn man sich wirklich einsetzt, kann man etwas hinkriegen«, so Raphael Niebler, der als PiA in Tübingen arbeitet. »Und das Tolle an Tarifverträgen ist: Man hat einen Anspruch darauf – das nimmt uns keiner mehr weg.«
Sein Kollege Harry de Maddalena sagte: »Wir können als Berufsgruppe nicht allein agieren, wir müssen uns mit anderen zusammentun, um unsere gemeinsamen, aber auch die partikularen Interessen durchzusetzen.« So sei es für die Psychotherapeut/innen in Tübingen beispielsweise selbstverständlich, sich an den Aktionen für einen Tarifvertrag Entlastung in Baden-Württembergs Unikliniken zu beteiligen.
Auch Klaus Thomsen, Sprecher der ver.di-Bundesfachkommission PP/KJP, forderte die angestellten Psychotherapeut/innen auf, ein offenes Ohr für die Probleme ihrer Kolleginnen und Kollegen zu haben. Zugleich sollten sie sich stärker einbringen, um den Belangen ihrer Berufsgruppe Gehör zu verschaffen. »ver.di hat mit unserer Berufsgruppe einen guten Fang gemacht«, so Thomsen augenzwinkernd. »Psychotherapeuten sind sehr engagiert und politisierbar. Sie sind aber oft vereinzelt. Man muss mit ihnen reden und sie abholen.« Eben das wollen ver.di und die Bundespsychotherapeutenkammer in Zukunft noch stärker gemeinsam tun. »Wir sollten uns noch besser koordinieren und deutlich machen, welch wichtigen Beitrag Psychotherapeuten leisten«, so Kammerpräsident Munz.
Ein gemeinsames Aktionsfeld der kommenden Monate könnte die Debatte über ein neues System zur Personalbemessung in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken sein. »Wir müssen rechtzeitig und deutlich sagen, wie eine Personalbemessung aussehen sollte«, erklärte Gisela Neunhöffer, die bei ver.di für Psychiatrien zuständig ist. Die Gewerkschaft trete dafür ein, die derzeitige Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) zu einer »Psych-PVplus« weiterzuentwickeln. Diese sollte verbindlich und bedarfsgerecht sein und alle Berufsgruppen umfassen – selbstverständlich inklusive der Psychotherapeut/innen. Auch bei der angekündigten und längst überfälligen Reform des Psychotherapeutengesetzes sollten ver.di und Bundespsychotherapeutenkammer in engem Kontakt bleiben. Es ist nicht akzeptabel, dass PiA während ihrer praktischen Tätigkeit keine oder nur eine geringe Vergütung bekommen. Für die sich anschließende Weiterbildung gilt es sicherzustellen, dass zukünftige Psychotherapeuten während ihrer Weiterbildung adäquate arbeits- und tarifrechtliche Rahmenbedingungen vorfinden können.
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