Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat entschieden, dass psychiatrische Kliniken die Vorgaben der Richtlinie Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL) erst ab 2029 voll umsetzen müssen. Was bedeutet das aus Sicht der Patientinnen und Patienten?
Als Patientenvertreter bedauere ich diese Entscheidung sehr. Die PPP-RL macht lediglich Mindestvorgaben, sie garantiert noch keine leitliniengerechte Versorgung. Die Vorgaben hätten eigentlich schon 2020 umgesetzt werden sollen. Doch es gibt immer wieder Verzögerungen – zu Lasten der Patientinnen und Patienten sowie des Personals.
Welche Folgen hat es für Patient*innen in der Psychiatrie, wenn selbst diese personellen Mindeststandards nicht eingehalten werden?
Die Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Einrichtungen sind in einer Situation, in der sie Zuwendung und individuelle Unterstützung brauchen. Wenn zu wenig Personal eingesetzt wird, kann dieser Bedarf nicht so erfüllt werden wie es notwendig wäre. Erwiesen ist auch, dass es bei unzureichender Personalbesetzung häufiger zu gefährlichen Situationen und Gewalt kommt, wovon sowohl Beschäftigte als auch Patientinnen und Patienten betroffen sind.
Der G-BA hat die volle Umsetzung der PPP-RL schon mehrfach verschoben – stets mit dem Argument, die nötigen Fachkräfte seien nicht zu finden.
Vor der PPP-RL galt die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV). Von einigen Kliniken wurde diese umgesetzt, andere haben jahrelang weniger Personal eingesetzt als gefordert, und sich dadurch wirtschaftliche Vorteile geschaffen. Nun sind in der Regel diejenigen Einrichtungen, die sich an die Psych-PV gehalten haben im Vorteil, das nötige Personal zu finden, weil die Bedingungen dort besser sind. Kliniken mit schlechten Arbeitsbedingungen hingegen haben Schwierigkeiten, genug Beschäftigte zu gewinnen und zu halten. Das gilt insbesondere für kommerzielle Träger.
Was bedeutet die Verschiebung der vollen Umsetzung der PPP-RL für Kliniken, die genug Personal einsetzen? Wird das wirtschaftlich für sie nicht zum Minusgeschäft?
Diese Arbeitgeber haben dann ein Problem, wenn sie mit Einrichtungen verglichen werden, die weniger Personal einsetzen. Das kann dazu führen, dass sie bei Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen nicht alle Kosten ausgeglichen bekommen. ver.di hat zuletzt gute Tarifabschlüsse erreicht – was sehr gut ist und die Arbeit attraktiver macht. Wenn diese aber nicht refinanziert werden, ist das für diese Einrichtungen ein Problem.
Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?
Die Mindestvorgaben sind noch keine leitliniengerechte Personalausstattung. Sie bleibt trotz längerer Übergangszeit das Ziel. Dieser Hinweis in der amtlichen Begründung der PPP-RL war der Patientenvertretung wichtig. Für eine leitliniengerechte Versorgung muss über diesen Mindeststandard hinaus zusätzliches Personal eingesetzt werden. Das muss bei den Budgetverhandlungen auf örtlicher Ebene berücksichtigt werden, damit die Einrichtungen nicht unter einen restriktiven Budgetdruck geraten und Stellen abbauen, die für eine bedarfsgerechte Versorgung gebraucht werden.
Ebenfalls verschoben hat der G-BA die Sanktionierung von Verstößen gegen die PPP-RL. Welche Folgen hat das?
Niemand will gerne Sanktionen. Sie sind aber erforderlich, weil sich Einrichtungen über Jahrzehnte nicht an die Personalvorgaben gehalten haben. Um das endlich zu ändern, sind Sanktionen unumgänglich. Sanktionen sind nicht das Ziel, sondern ein Mittel, um eine gute Versorgung sicherzustellen.
Weitere Informationen und Debattenbeiträge zur PPP-RL finden sich hier.
Psychiatrie, Servicebetriebe
030 6956 - 1842
Charlotte.Ciesielski@verdi.de